Zen und die Vorstellung der Erlösung?

  • Bei meinem letzten Besuch im lokalen Zen-Zentrum empfahl mal wir das Buch von Zensho Kopp, laut Buchdeckel einem der bedeutendsten Weisheitslehrer der Gegenwart.


    Ich reiße mal zwei Zitate aus dem Buch und zwar eines vom Anfang und eines von Ende:


    Zitat

    Die Allgegenwart des Einen Geistes durchdringt das ganze Universum. Aller Wechsel und Wandel ist die fortschreitende Selbstentfaltung und Selbstverwandlung dieses Allgeistes. Es ist die Bewusstwerdung des unaussagbaren göttlichen Urgrundes.


    Mir erscheint das wir ein Pantheismus mit einem soteriologischen Twist, wenn es um die Erleuchtungserfahrung geht, denn der erleuchtete Geist wird zum "allumfassenden Bewusstsein". Mehr noch:


    Zitat

    Er ist gestorben und wieder auferstanden von den Toten. Er ist der Erwachte, der Erleuchtete, der zum klaren Licht der Wirklichkeit erwacht ist. An ihm erfüllt sich das Wort des Johannesevangeliums: Er wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern das Licht des ewigen Lebens haben.


    Die buddhistische Erlösungslehre wird verbunden mit christlichem Mystizismus. Das was mich am meisten erstaunt, ist, wie prominent der Erlösungsgedanke in den Vordergrund gerückt wird. Ist das üblich für Zen? Gibt es historische Lehrer, die sich so intensiv mit Erlösung beschäftigt haben und in das Zentrum ihrer Lehre stellen?

  • "Das was mich am meisten erstaunt, ist, wie prominent der Erlösungsgedanke in den Vordergrund gerückt wird. Ist das üblich für Zen? Gibt es historische Lehrer, die sich so intensiv mit Erlösung beschäftigt haben und in das Zentrum ihrer Lehre stellen?"


    Ja, solche Lehrer, welche die Erlösung/Befreiung vom Leiden in das Zentrum ihrer Lehre gestellt haben, gibt es. Siddharta Gautama Buddha zB war ein solcher Lehrer :)

    " Die Vertreter der Substanz sind wie Kühe, die Vertreter der Leere noch schlimmer."


    - Saraha
    -
    " Beides vergaß ich, das Ich und das Nicht-Ich."


    - Huang-po

    • Offizieller Beitrag

    Erlösung ist ein christlicher Begriff - erlöst wird man von der Sünde. Im Buddhismus spielt die Befreiung vom Leid eine große Rolle. Wenn man beides gleichsetzt ist die Frage, ob man damit eine Brücke zwischen Ost und West baut - ich glaube Kopp versucht das - oder doch nur einen kleinsten gemeinsamen Nenner formuliert, der weder dem einen oder dem anderen gerecht wird. Das sehe ich da als eine große Gefahr.

  • void


    Klar, im Christentum braucht es das Schlachtopfer zur Sühne, da kann also nur der liebe Gott und sein lieber Sohn jemanden erlösen. Buddha jedoch lehrte, dass man sich selbst "erlösen" kann. Mit "erlösen" meine ich hier die Befreiung vom Leiden.


    Ich habe ein Buch von Kopp hier, mit dem Titel "Zen und die Wiedergeburt der chrislichen Mystik". Vieles von dem, was Kopp da schreibt, finde ich recht inspirierend, es gibt ganz klar viele Überschneidungspunkte der diversen Religionen. Allerdings ist es IMHO ein äusserst delikates und schwieriges Unterfangen, Christentum und Buddhismus unter einen Hut zu bringen. Dennoch, es gibt sehr interessante Überschneidungen zwischen der christlichen Mystik der sog. Ketzer und buddhistischer Lehre.

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    - Saraha
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    - Huang-po

  • mkha':

    Ich lernte: Zuerst hört der Schüler die Lehren des Buddha, dann kommt das Darüber-nachdenken, und anschließend, (falls man zu diesem Entschluß kommt), die Prüfung auf Alltagstauglichkeit des Dharma: das Praktizieren. Das, was der Praktizierende durch das Umsetzen der Lehren, das Leben des Dharma, und weitergehende Belehrungen seines Lehrers (falls vorhanden) erlernt, wird mittels der Meditation vertieft.


    Mir fehlt der Lehrer, deswegen lerne ich durch Meditation. Ich verliere durch sie Illusionen über mich und spüre, dass ich die Welt anders wahrnehme, mich z.B. an kleinen Dingen freue, Mitgefühl entwickele. Es sind kleine Schritte und gleichzeitig wächst die Neugier nach der Lehre - speziell Zen. Aber eine Erlösung ist für mich nicht wichtig und ich denke nicht an sie. Deswegen lässt mich das Buch von Kopp auch kalt.

  • mogun:
    mkha':

    Ich lernte: Zuerst hört der Schüler die Lehren des Buddha, dann kommt das Darüber-nachdenken, und anschließend, (falls man zu diesem Entschluß kommt), die Prüfung auf Alltagstauglichkeit des Dharma: das Praktizieren. Das, was der Praktizierende durch das Umsetzen der Lehren, das Leben des Dharma, und weitergehende Belehrungen seines Lehrers (falls vorhanden) erlernt, wird mittels der Meditation vertieft.


    Mir fehlt der Lehrer, deswegen lerne ich durch Meditation. Ich verliere durch sie Illusionen über mich und spüre, dass ich die Welt anders wahrnehme, mich z.B. an kleinen Dingen freue, Mitgefühl entwickele. Es sind kleine Schritte und gleichzeitig wächst die Neugier nach der Lehre - speziell Zen. Aber eine Erlösung ist für mich nicht wichtig und ich denke nicht an sie. Deswegen lässt mich das Buch von Kopp auch kalt.


    Ist denn Befreiung vom Leiden wichtig für Dich?

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    - Saraha
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    - Huang-po

  • mogun:

    Zitat

    Gibt es historische Lehrer, die sich so intensiv mit Erlösung beschäftigt haben und in das Zentrum ihrer Lehre stellen?


    Da Erlösung (Erwachen) im Dharma Selbsterlösung (Erwachen; bodhi des Erwachten ) ist,
    "das große Erwachen des selbstlosen Selbst welches die Erlösung des Menschen aktualisiert",
    "die Realisation der formhaft-formlosen Wirklichkeit (tathata)
    steht dieser keine "Gegenwelt" einer "dual zerissener Realität" gegenüber ("frei" nach Hisamatsu) - also keine sündhafte Welt, Wesen, welches durch "höhere Macht" erlöst wird usw.
    Dies ist eine andere "Sichtweise" auf Erlösung und das menschliche Wesen als die christliche
    (ausgenommen christl. Mystik !)
    Nein, soweit ich weiß, gibt also keinen historischen "Zen-Lehrer" welche eine Erlösungslehre vermittelte. Sowas könnte eher im esoterischen Buddhismus angesiedelt sein, wobei es da manchmal Überschneidungen der Schulen gibt. Zum Beispiel im Amida Buddhismus, wo eine bloße Erlösung durch eigene Kraft ( jiriki) ausgeschlossen wird, vielmehr Erlösung bzw. Erwachen durch "die andere Kraft“ (tariki) gelehrt wird.

  • ....

    Zitat

    deswegen lerne ich durch Meditation.


    Das ist auch korrekt so (im Zen) ; mkha schreibt "aus tibetischer Sichtweise, bzw. Gepflogenheit".
    (das ist da ein "Stufenweg"; Zen nicht )

  • mkha':

    Hallo Morpho,


    im Prinzip hast Du Recht, ... aber, (nur um das kurz zu erwähnen), auch im Tibetischen Buddhismus gibt´s einige Kreuzungen an denen der Schüler anhalten und Weiteres mitnehmen, oder aber abbiegen und sich einem weiteren Gebiet öffnen kann.
    LG mkha´


    Ich meinte das hier:


    Zitat

    Das, was der Praktizierende durch das Umsetzen der Lehren, das Leben des Dharma, und weitergehende Belehrungen seines Lehrers (falls vorhanden) erlernt, wird mittels der Meditation vertieft.


    Das ist im Zen nicht so.

  • vr:

    Zitat

    In seiner Lehrdarlegung bezieht er sich...


    Ach, naja, er neigt da eben zu einem samadhi-esoterischen Dharma. Da müssen die Leute die christliche Prägung nicht abschneiden. Das ist erst mal nix schlimmes; bei dem Versuch übertragen viele unbewusst in den Dharma. Ich war kürzlich auch mal bei einem Priester der Zen und christliche Kontemplation bzw. Darlegung verbindet. Die Frage ist dann wie sie es mit der tradierten (formlosen) Praxis halten, also auch, ob sie, Synthesen hin oder her, dieses und jenes gleichzeitig auch wieder "auseinander halten" können.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Liebes mkha, die einzige Möglichkeit wäre, Mahamudra und Zen zu bequaken, ob man das verbinden könnte, und wie das dann ausschaute. Da ist das hier aber nicht der rechte Thread zu. Kopp zumindest hat keine tibet. Ambitionen und Phat Hue hält das wohl auseinander. Ich wüsste auch nicht worin der User im speziellen (bereits) hilfsbedürftig wäre; wir wollen auch keine erzeugen in dem wir hier noch weiter ab vom Zen Schuß dödeln. Oda ? ;)


    Weißt Du, hier zeigt sich, wie vorteilhaft es bei der Beantwortung einer Frage ist, wenn dazugeschrieben wird, auf welcher Lehrmeinung (Schule, Tradition, Linie etc.) ZEN :P

    • Offizieller Beitrag
    mkha':

    Zu Deiner Aussage:

    Zitat

    Da müssen die Leute die christliche Prägung nicht abschneiden.


    Da fällt mir ein, dass ich anlässlich eines Treffens zum interreligiösen Dialog an einer Meditation teilgenommen habe. Wir waren eine bunt zusammengewürfelte Gruppe, die sich recht gut unterhalten hatte. So war es auch selbstverständlich, dass bei der anschließenden Meditation auf ein Objekt einem jeden freigestellt war, sich auf ein Symbol seiner Glaubensrichtung zu konzentrieren.


    Ich finde den interreligiösen Dialog sehr wichtig. Eben gerade so etwas wie die christlichen Mystiker können helfen, dass man von eine Gedankenwelt in die andere übersetzt und so Verständnis schafft. Auch gemeinsame Praxis kann da sehr förderlich sein.


    Aber von dem Bauen von Brücken über die man sich gegenseitig besucht, ist es ein weiterer Schritt zu denken, man müsse einen Kompromiss schliessen und auf der Brücke ein Haus erbauen.


    Nach meiner Erfahrung ist dieser Versuch häufig enttäuschend: Begriffe die in ihrem Kontext eine klare Bedeutung haben und mit einer konkreten Praxis verbunden sind, werden dazu verwendet auf alles mögliche gleichzeitig zu verweisen, bis sie zu beliebigen Worthülsen werden. Wenn man nicht höllisch aufpasst, tauchen verschommene Bindstrich-Entitäten ("Dharmakya-heilge Geist-Brachman") tauchen unter der Brücke auf, und reissen alles mit sich.


    Ich möchte nicht sagen das das bei Kopp der Fall ist-dazu kenne ich ihn zu wenig- aber selbst bei dem wenigen Texten, die ich gelesen habe, dreht sich mir der Kopf.

  • Freeman reloaded:

    Ist denn Befreiung vom Leiden wichtig für Dich?


    Ja. Mein Leben ist sehr banal. Wenn ich Zahnschmerzen habe, gehe ich zum Zahnarzt. Als in der Flüchtlingsunterkunft Dinge gebraucht wurden, spendete ich Kleidung und einen Staubsauger, den ich im Keller fand. Und wenn ich mir oder anderen Menschen Unrecht tue, meditiere ich - am liebsten im Freien. Und dabei stechen mich oft Mücken.

  • Dass der Begriff 'Erlösung' in buddhistischem Kontext problematisch ist, wurde ja schon gesagt. Am ehesten ließe sich dieser Begriff mit Skrt. mokṣa / vimokṣa (etwa: 'Befreiung') vergleichen, Chin. / Jap. 解脫, jietuo / gedatsu. Der Begriff spielt insbesondere im Zen eine deutlich weniger zentrale Rolle als der Begriff der 'Erlösung' im Christentum. Inkompatibel sind beide Begriffe auch insofern, als es im Christentum um Erlösung von Sünde (im Glaubensbekenntnis: 'Schuld') geht und im Buddhadharma um Befreiung von Verblendung (avidya, Unwissenheit).


    Warum "weniger zentral"? Eine der wichtigsten theoretischen Grundlagen des Zen (und natürlich auch des chinesischen Chan) ist die Lehre der allen Wesen "angeborenen", primordialen Buddhanatur (Busshō / Fo Xing). Dies trifft übrigens auch für einige andere ostasiatische buddhistische Traditionen zu, insbesondere Tiantai / Tendai und Huayan / Kegon. Hinsichtlich gedatsu besagt diese Lehre, dass der Übende bereits befreit ist; es geht in der Übung insofern nicht um Befreiung, sondern um Einsicht in die (freie) Natur des eigenen Wesens (kenshō) bzw. um Aktualisierung der Befreiung bzw. des Erwachens (shōbutsu) - womit auch schon die relativ subtilen Unterschiede der Rinzai- und Sōtō-Interpretation angedeutet wären.


    Das, was Herr Kopp in seinem (um es etwas flapsig auszudrücken) spirituellen Gemischtwarenladen anbietet, hat nach meinem Eindruck eher wenig damit zu tun. Ob man "nur" Versatzstücke aus der Zentradition und christliche Mystik vermengt oder das Ganze zusätzlich auch noch mit Daoismus oder was sonst noch so nachgefragt wird, würzt - das Ganze ist da mE nicht mehr als die Summe der Teile. Und die Teile sind eben nicht mehr als nur Teile. Aber offensichtlich gibt es Leute, die brauchen das. Insofern ist das auch in Ordnung. Besser als Abenteuerurlaub mit Daesh in Syrien ist das als spirituelle Praxis allemal, wenn auch weniger aufregend.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • mogun:


    Ja. Mein Leben ist sehr banal. Wenn ich Zahnschmerzen habe, gehe ich zum Zahnarzt. Als in der Flüchtlingsunterkunft Dinge gebraucht wurden, spendete ich Kleidung und einen Staubsauger, den ich im Keller fand. Und wenn ich mir oder anderen Menschen Unrecht tue, meditiere ich - am liebsten im Freien. Und dabei stechen mich oft Mücken.


    Gute Einstellung und Zen in Reinform :)
    _()_c.d.

    Tag für Tag ein guter Tag

  • void:


    Ich möchte nicht sagen das das bei Kopp der Fall ist-dazu kenne ich ihn zu wenig- aber selbst bei dem wenigen Texten, die ich gelesen habe, dreht sich mir der Kopf.


    Zum Thema "Kopp" sage ich nur: Frag mal den Admin, der sollte ihn kennen.
    _()_c.d.

    Tag für Tag ein guter Tag

  • mogun:
    Freeman reloaded:

    Ist denn Befreiung vom Leiden wichtig für Dich?


    Ja. Mein Leben ist sehr banal. Wenn ich Zahnschmerzen habe, gehe ich zum Zahnarzt. Als in der Flüchtlingsunterkunft Dinge gebraucht wurden, spendete ich Kleidung und einen Staubsauger, den ich im Keller fand. Und wenn ich mir oder anderen Menschen Unrecht tue, meditiere ich - am liebsten im Freien. Und dabei stechen mich oft Mücken.


    Das klingt alles sehr vernünftig :)


    _()_

    " Die Vertreter der Substanz sind wie Kühe, die Vertreter der Leere noch schlimmer."


    - Saraha
    -
    " Beides vergaß ich, das Ich und das Nicht-Ich."


    - Huang-po