Etikettieren im Zen

  • Hinsichtlich des Zustands des Geistes (des Bewusstseins) finden wir folgende Anweisungen im Fukanzazengi:
    Denke nicht „gut“ oder „schlecht“. Urteile nicht „richtig“ oder „falsch“. Halte das Kreisen des Geistes, des Intellekts und des Bewusstseins an. Stoppe die Berechnungen des Denkens, der Ideen und der Ansichten. Versuche nicht Buddha zu werden. Wie könnte dies auf Sitzen oder Liegen beschränkt sein?


    http://global.sotozen-net.or.j…terms/pdf/key_terms08.pdf

  • Danke für eure Antworten. Dann scheint es tatsächlich schulenspezifisch sein. Im Theravada ist es ja gängig. Schulenübergreifend finde ich es persönlich sehr hilfreich, um anzufangen, die permanente Identifizierung mit Gedanken loszulassen.

  • Ich mach s manchmal - wenn "Stress ist". Zuviel Emotionen oder Vorstellungen.
    Im allgemeinen ist Benennen ansonsten mit subtilen Bewerten verbunden.
    Deswegen ist es im Zen nicht üblich.

  • Ich finde, man kann wunderbar etikettieren, ohne dabei zu werten. Im Theravada geht es natürlich auch darum, nicht zu werten und dort ist es gängiger. Deshalb leuchtet mir diese Begründung nicht ein. Nicht bewerten ist imho nichts Zen spezifisches, sondern Grundlage in allen Schulen.

  • mindfullness:

    Ich finde, man kann wunderbar etikettieren, ohne dabei zu werten. Im Theravada geht es natürlich auch darum, nicht zu werten und dort ist es gängiger. Deshalb leuchtet mir diese Begründung nicht ein. Nicht bewerten ist imho nichts Zen spezifisches, sondern Grundlage in allen Schulen.


    Wenn ich das richtig verstehe, dann bedeutet etikettieren, ich sage z.B. "Kirschen" - oder bei Gefühle - "warm" - "kalt" - und nicht "warm ist schlecht" - "Kirschen sind faul" ?
    Wie machst du das - erkläre das mal.

  • Das wahre Dharma, richtig von den Buddha-Vorfahren übermittelt, ist einfach nur sitzen. - Dogen


    (unter Ausschluss aller anderen Aktivitäten, kein Räucherwerk, kein Etikettieren)

  • Ich redete vom Alltag und nicht dem Sitzen!!!


    @Aiko


    "Angst vor jobverlust"
    "Kindheitserinnerung"


    wären sehr präzise Etikette. Oder einfach


    "Sorge, Sorge"
    "Traurig, Traurig"


    Damit sind keine Wertungen gemeint, sondern eine kurze ganz schnelle Feststellung ohne Analyse oder gar Wertungen. Mit der Zeit werden Gedanken dann als das erkannt, was sie sind....

  • Aber im Theravada ist bei Sorge, Sorge und Traurig, Traurig das Attribut unheilsam dabei und bei einem Rationalisten oder groben Denker oder Oberflächlichen oder Naiven... oder wie auch immer...evtl auch "schlecht" bis "böse" oder...? Im herkömmlichen Mahayana schon auch. Am ehesten lässt sich diese Zwangsläufigkeit doch bei Begehren jeder Art verifizieren ? Sagen wir das Ettiketieren ist ein Hilfsmittel. Für die grobe Schiene. Die Konzeptuelle. Und das ist auch ok so. Aber es darf nicht ausarten zu einer `Methode per se`. Die wird nämlich der `Wirklichkeit`nicht (ge) recht.

  • keks:

    Das wahre Dharma, richtig von den Buddha-Vorfahren übermittelt, ist einfach nur sitzen. - Dogen
    (unter Ausschluss aller anderen Aktivitäten, kein Räucherwerk, kein Etikettieren)


    Wir wissen ja nun, dass du noch wenig `Ahnung` hast,
    das liegt daran, dass du weder Lehrer noch Sesshin, noch Sangha auf suchst. Das muss ja nicht sein. :)


    Grüße
    Blue_


  • Ok - du machst diese Etikettierung bei dem Gedanken, der dir bewusst wird. Damit gibst du dem Gedanken (Vorstellung; Objekt) Namen - und genau das ist auch eine Wertung, die aber bereits durch dein Bewusstsein kommt, das ja Gedanken in Erscheinung treten lässt, die es Wert sind benannt zu werden.
    Ich schaue mir die Gedanken einfach nur an - und auch das mit dem Gedanken verbundene Gefühl - und habe da z.B. bemerkt, dass Verlangen und Ablehnung miteinander verbunden sind. Also dass Aggression oder Aversion sich abschwächen, wenn Verlangen (Gier) sich abschwächt und umgekehrt.


    Zitat

    Mit der Zeit werden Gedanken dann als das erkannt, was sie sind.


    Und was sind sie?

  • Ist das Labeling nicht nur eine Technik von einer speziellen VIPassana-Schule (der von Mahasi Sayadaw), ist sie Theravada-übergreifend?


    Aus meiner Sicht ist sie zumindest ein Gipfelpunkt der Künstlichkeit. (Ist ja auch verständlich bei einem, der sich Jinen nennt). Mich erinnert das ein wenig an den Versuch, Wellen mit dem Bügeleisen glattzubügeln.


    Letztlich müsste doch Labeling zu einer Endlosschleife führen. Nehmen wir mal an da ist ein Gedanke. Dem klebe ich das Label Gedanke an. Dieses ist ja aber in sich auch ein Gedanke, dem ich auch wieder das Label Gedanke anhefte, welches ja auch wieder ein Gedanke ist, dem ich das Label Gedanke anhefte. Und so weiter, bis in alle Ewigkeit, oder bis ich gestorben bin (oder der Verstand zusammenbricht. Aber vielleicht soll das ja bezweckt werden).

  • Hi,


    ob es im Zen praktiziert wird, kann ich nicht beantworten.
    Die Praixs des Etikettierens habe ich hier sehr oft gelesen.


    Ich selbst lehne es ab, da man gerade unheilsamen Gedanken damit vermehrt Aufmerksamkeit schenkt, indem man eben das entsprechende Label draufbabbt.

    Der Horizont existiert nur im Auge des Betrachters, nicht in der Wirklichkeit

  • blue_aprico:


    Wir wissen ja nun, dass du noch wenig `Ahnung` hast,
    das liegt daran, dass du weder Lehrer noch Sesshin, noch Sangha auf suchst. Das muss ja nicht sein. :)


    Ich hatte Dogen zitiert.

  • keks:


    Ich hatte Dogen zitiert.


    ...und " nach Gusto" interpretiert.
    Nimm halt einfach Sawaki. :D

  • Durch die reine Wahrnehmung entsteht noch keine Wertung! Im Gegenteil "schützt" es vor Identifikation. Es ist sicher auch keine Methode per se, wie blue richtig schreibt. Es ist für den Einstieg gedacht. Irgendwann wird einfach ohne label wahrgenommen, weil der notwendige Abstand geschaffen wurde.

  • Richtig, es ist gewissermaßen wie Achtsamkeit jedoch etwas indirekter. Wenn es auf eine sehr schnelle Weise geschieht bleibt keine Zeit für Identifikation und ein Gefühl z.B. bleibt einfach nur ein impermanentes Gefühl und wird schnell von einer anderen Erscheinung ersetzt, usw. Im Zen gibt es das nur in Form der Samatha Übung bei der Atemzüge gezählt werden.
    Der Vorteil dieses Benennens ist, dass man sich schneller dessen bewusst wird falls man aus der Achtsamkeit rausfällt. Der Übergang ins träumen und grübeln kann ja ziemlich fließend sein.
    Es ist also vor allem dann gut wenn sehr unaufmerksam oder aufgeregt ist.
    Wenn man es richtig intensiv als Vipassana nutzen möchte sollte man sich sehr genau damit beschäftigen. Letzendlich ist es dazu da loszulassen.


    Problem ist, dass es einerseits indirekt ist und andererseits nicht dazu beiträgt die Natur dieser Erscheinungen selbst genau wahrzunehmen. Es kann den Eindruck von Zeit, Veränderung und Prozess solidifzieren.

  • keks:

    Ist es dein eigenes Dharma das sich da nennt "würdige andere herab und stell dich selbst höher" oder lehrte das irgendjemand aus einer Shanga ?


    Wenn du das so empfindest tut mir das leid & das ist jetzt kein "Spruch". Erniedrigen, Erhöhen, jedenfalls absichtlich, ist überhaupt nicht mein Ding.
    & keine `Ahnung` meint bei mir nicht das eine/r plöd ist. Vielleicht machste dich auch nicht dauernd lustig über "Buddhismen" in einem buddhistischen Forum, denn da krieg ich so ein dämliches Bild von dir. Muss ja nicht sein. :)


    Ansonsten alles gut
    und Sorry
    Blue_


    Ps. Lies trotzdem mal ein/zwei Bücher und such dir nen Lehrer. :D;)

  • mindfullness:

    Durch die reine Wahrnehmung entsteht noch keine Wertung! Im Gegenteil "schützt" es vor Identifikation. Es ist sicher auch keine Methode per se, wie blue richtig schreibt. Es ist für den Einstieg gedacht. Irgendwann wird einfach ohne label wahrgenommen, weil der notwendige Abstand geschaffen wurde.


    Aus meiner Aussensicht:


    Labeling versucht wie andere dissoziative Techniken auch eine (künstliche) Metaebene (oder mehrere) im Bewusstsein zu erschaffen, um Abstand zu schaffen. Damit ich von oben auf mich herab schauen kann. Ob das wertungsfrei geschehen kann, bezweifel ich. Aber ist letztlich auch nicht der Punkt.
    Zen versucht meiner Beobachtung nach gerade das Gegenteil: Es nimmt dir auch die Metaebene, die du normaler Weise hast, noch weg. Also gerade keinen Abstand schaffen, sondern direkt hinein.

  • Hier muss ich doch mal nachhaken. Metaebene ist sicher nicht der passende Terminus, aber scheint mir auch nicht so falsch. Unter "direkt hinein" verstehe ich nämlich in gedankenketten verlieren...

  • mindfullness:

    Hier muss ich doch mal nachhaken. Metaebene ist sicher nicht der passende Terminus, aber scheint mir auch nicht so falsch. Unter "direkt hinein" verstehe ich nämlich in gedankenketten verlieren...


    So lange du benennst, bleibt immer noch "jemand" der benennt. So lange du noch wahrnimmst, dass du wahrnimmst, nimmst du immer noch eine scheinbar objektive Position ein, eine Position, scheinbar ausserhalb von irgendwas. Das heißt, du bewegst dich hier dann immer noch innerhalb von Vorstellungen wie Innerhalb und außerhalb.


    Zen geht weiter. Aber dazu bedarf es Praxis, Praxis, Praxis...
    Ohne diese Praxis, ohne ZaZen, wird das nichts.

  • Danke, so leuchtet es ein. Es hilft nicht, sich vom vermeintlichen ich zu lösen. Ganz recht, jetzt verstehe ich. Aber für den Beginn finde ich es wie gesagt dennoch praktisch. Zumindest wird die Identifikation mit Gedanken weniger

  • Ich war einmal dabei, wie ein Theravada-Mönch ein paar Meditationsanfängern Ratschläge in Richtung Labeln gab. Danach hab ich mir genauer angeschaut, ob das damit zu tun haben könnte, dass er ein Schriftgläubiger ist - und finde mich darin bestätigt. Das Labeln geht Hand in Hand mit dem Buchstabenglauben.


    Um es zu durchschauen, empfehle ich mal Folgendes: Statt "Sorge, Sorge" soll man einfach "Freude, Freude" labeln. Statt "Angst vor Jobverlust" einfach "Jabberwocky". Dann dürfte sich das bald erledigt haben.