... was hörst du dann?

  • Ich hab nach vielen jahren mal wieder J.-E- Behrend (dem Jazz-Papst und Hör-Propheten) gelesen . Er zitiert mehrfach den Koan "Wenn du auslöschst Sinn und Ton, was hörst du dann?"
    Weiß jemand, von wem der stammt?

    Ich bin nicht im Heiligen Geschäft. Ich sing mein eigenes Lied.
    U.G.

  • °°°:

    Ich hab nach vielen jahren mal wieder J.-E- Behrend (dem Jazz-Papst und Hör-Propheten) gelesen . Er zitiert mehrfach den Koan "Wenn du auslöschst Sinn und Ton, was hörst du dann?"
    Weiß jemand, von wem der stammt?


    Das ist kein Koan. Der Satz stammt vielmehr aus einem (schlecht übersetzten) Kommentar zu einem Koan - und zwar Wumen Huikais (jap. Mumon Ekai) Kommentar zu Yunmen Wenyans (jap. Ummon Bun'en - den hatten wir hier gerade) 'Glockenklang und die Sieben Streifen'. Präzedenzfall 16 des Wumenguan / Mumonkan. Die "Sieben Streifen" sind übrigens das Kāṣāya bzw. jiāshā / kesa, also das Mönchsgewand. Berendt hat offensichtlich eine englische Übersetzung benutzt, und zwar eine ziemlich alte (Hui-k'ai, The gateless gate, translated from the Chinese by Nyogen Senzaki and Saladin Reps. Los Angeles, J. Murray, 1934): "When you blot out sound and sense, what do you understand?" Die Übersetzung des Kommentars bei Senzaki / Reps ist nicht nur stark verkürzt, sondern mE auch sinnverfälschend - aber gerade wegen ihrer Fehlerhaftigkeit auch eindeutig identifizierbar. Besser: "Sogar wenn Du Töne und Stille beide vergessen hast - Dort angekommen, was kannst du dazu sagen?" (Übers. Dietrich Roloff, wie meistens sehr nahe am Original) oder "Selbst wenn du in der Lage bist, über Ton und Schweigen hinauszugehen, wie sprichst du von diesem Faktum?" (Zenkei Shibayama / Margret Meilwes).


    Statt von 'Sinn' ist also von Stille/Ruhe/Schweigen die Rede ( 寂 - still werden, auch still, ruhig). Statt von hören (wobei das 'understand' allerdings mit 'verstehen' auch besser übersetzt wäre) von sagen / sprechen (話會).


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  • Gut.Gut. Dasselbe wie "Mu". Sehr schön. Danke.()
    Das mit dem `Sinn` ist ziemlich vermurkst, aber das `Hören` haut schon noch hin.


  • Natürlich sind auch die Kommentarverse eines Koans wiederum Koan.

  • Aiko:

    Natürlich sind auch die Kommentarverse eines Koans wiederum Koan.


    Selbstverfreilich. Und die Übersetzung eines Kommentars zu einem Koan ist Koan. Und auch die Kommentierung der Übersetzung eines Kommentars zu einem Koan in einem Internetforum ist Koan. Und ein Antwortposting auf die Kommentierung der Übersetzung eines Kommentarverses zu einem Koan in einem Internetforum ist Koan. Sogar diese bestätigende Rückantwort darauf ist Koan.


    Wieauchimmer - Du hast insofern recht, als die koan / gongan der klassischen Sammlungen nicht nur aus dem "alten Präzedenzfall" (古則 guze / kosoku) bestehen, der meist der älteren yulu-Literatur (語錄, jap. goroku) entnommen wird, sondern auch aus jüngeren Textschichten. Beim Wumenguan ist das noch verhältnismäßig simpel, da gibt es außer den guze verschiedener alter Meister noch Wumens Verse zum guze (頌古 songgu / juko) und Wumens Prosakommentar zum guze (拈古 niangu / nenko).


    Das gesuchte Zitat entstammt allerdings nicht den Kommentarversen (juko) sondern dem Prosakommentar (nenko) und es muss ohnehin - wenn schon, denn schon - nicht "Kommentarverse eines Koans" heißen sondern "Kommentarverse eines kosoku".


    Mit haarspalterischen Grüßen,


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  • Sudhana:


    Mit haarspalterischen Grüßen,


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    Warum so bescheiden? Da geht doch noch mehr. 8)

  • Dank Euch.


    "Sogar wenn Du Töne und Stille beide vergessen hast - Dort angekommen, was kannst du dazu sagen?" klingt ja ganz schön daoistisch. Das er die Reps-Übersetzung verwendet hat halte ich für sehr wahrscheinlich, weil auch Osho (der sein Lehrer war) sie verwendet hat (zumindest beim Vigyan Bhairava Tantra, das seltsamer Weise in einem Buch von Reps über Zen enthalten ist).


    Andererseits hat aus meiner Sicht auch das "Wenn du auslöschst Sinn und Ton, was hörst du dann" etwas von den tonlosen Ton hören und den Klang der einen klatschenden Hand vernehmen.
    Aber freilich passt es vor allem in Behrends betonung des Hörens, was ja das "was kannst du sagen" dann nicht mehr tut. (Obwohl in der einen Übersetzung (die von Reps?) hiesst: Der Klang kommt zum Ohr, das
    Ohr geht zum Klang. Und zumindest in Dae Gaks "Das Zen des Lauschens" gibt es ja auch die Betonung des Hörens. (Interessanterweise da auch im Bezug auf den Klang der Glocke.) Aber Ummons Koan weist sicher in eine andere Richtung.

    Ich bin nicht im Heiligen Geschäft. Ich sing mein eigenes Lied.
    U.G.

  • °°°:

    Dank Euch.


    "Sogar wenn Du Töne und Stille beide vergessen hast - Dort angekommen, was kannst du dazu sagen?" klingt ja ganz schön daoistisch. Das er die Reps-Übersetzung verwendet hat halte ich für sehr wahrscheinlich, weil auch Osho (der sein Lehrer war) sie verwendet hat (zumindest beim Vigyan Bhairava Tantra, das seltsamer Weise in einem Buch von Reps über Zen enthalten ist).


    Andererseits hat aus meiner Sicht auch das "Wenn du auslöschst Sinn und Ton, was hörst du dann" etwas von den tonlosen Ton hören und den Klang der einen klatschenden Hand vernehmen.
    Aber freilich passt es vor allem in Behrends betonung des Hörens, was ja das "was kannst du sagen" dann nicht mehr tut. (Obwohl in der einen Übersetzung (die von Reps?) hiesst: Der Klang kommt zum Ohr, das
    Ohr geht zum Klang. Und zumindest in Dae Gaks "Das Zen des Lauschens" gibt es ja auch die Betonung des Hörens. (Interessanterweise da auch im Bezug auf den Klang der Glocke.) Aber Ummons Koan weist sicher in eine andere Richtung.


    Berendt hat definitiv Reps / Senzaki benutzt. Falls da noch ein Zweifel gewesen wäre, zeigt es Dein zweites Zitat: "Der Klang kommt zum Ohr, das Ohr geht zum Klang." Von allen Übersetzungen die ich kenne, übersetzen das nur Reps / Senzaki so - und auch diese Übersetzung ist wieder falsch und sinnentstellend. Richtig z.B. Roloff: "Sag doch gleich, ob die Laute ans Ohr herangehen oder das Ohr sich den Lauten nähert." Kann auch gar nicht anders sein, denn Mumon bezieht sich hier auf eine Belehrung Buddhas im Śūraṅgama Sūtra, die mit folgenden Worten eingeleitet wird: "Ānanda, wenn du im Jetavana-Hain eine Trommel zur Ankündigung einer Mahlzeit schlagen und eine Glocke zur Versammlung der Bhikshus läuten hörst, folgen diese Klänge einander. Kommen sie zu den Ohren oder gehen die Ohren zu ihnen?" Die Stelle findet sich im ersten Teil, im Abschnitt über die Verschmelzung der zwölf Āyatana. Es ist eigentlich einer der weniger subtilen Hinweise, die Mumon in seinen Kommentaren gibt, auch wenn er den meisten Übersetzern entgangen zu sein scheint.


    Das Śūraṅgama Sūtra - speziell Avalokiteśvaras Methode der Meditation über das Hörorgan und Mañjuśrīs daran anschließende große Gātha gegen Ende des vierten Abschnitts (nach Lu Kuan Yous Einteilung) - ist zum Thema Hören / Klang aus buddhistischer Sicht eine eigentlich unverzichtbare Quelle.


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  • Zitat

    Das Śūraṅgama Sūtra - speziell Avalokiteśvaras Methode der Meditation über das Hörorgan und Mañjuśrīs daran anschließende große Gātha gegen Ende des vierten Abschnitts (nach Lu Kuan Yous Einteilung) - ist zum Thema Hören / Klang aus buddhistischer Sicht eine eigentlich unverzichtbare Quelle.



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  • OMG - ich mag euch Nerds!
    Und ich mag die Pricipia Discordia, die ebenfalls aus dem Zen geschöpft hat, womit ich beim Bogenspannen zum Topic (hoffentlich) angelangt wäre:


    In der P.D. ist vom "Geräusch des Klatschens mit einer Hand" die Rede.
    Kann mir einer von euch Schlauköpfchen die Quelle/n nennen? Wäre so lieb :D ...danke schon mal!

    Einmal nur noch möcht ich wandern, in der großen Wanderschaft,
    Einsam, ohne einen andern, bis verhaucht die letzte Kraft.
    Sterbend möcht den Blick ich lenken auf das Schneeland himmelhoch,
    Sterbend noch des Lehrers denken und der Lehre, die nie trog.