Kodo Sawaki über Zazen

  • Zazen bedeutet Buddha mit dem menschlichen Körper zu erschaffen.


    Deine Illusionen wirst du nie vollkommen ausrotten: "Ich will ja nicht angeben, aber Illusionen habe ich nun gar keine mehr!" Versuche nicht, Zazen so zu praktizieren, als wolltest du eine Zwiebel schälen. Selbst wenn du auf diese Weise "Satori" oder was auch immer bekommst - das ist nicht echt. Praktiziere Zazen lieber mit diesem Normalbürger-Geist, mit all deinen Illusionen und Trieben. Setz' dich mit diesem Leib, so wie er in den sechs Welten des Leidens herumirrt, einfach in Zazen - wenn du auf diese Weise einfach sitzt, sind dein Affengeist und Pferdewille selbst Undenken, deine Illusionen sind so wie sie sind unbefleckte Wahrheit. Das ist es, was Dogen Zenji im "Eihei Koroku" den "Lotus inmitten des Feuers" nennt.


    Wenn du dich hängen lässt, "hängt" auch dein Geist. Nimmst du eine würdevolle Haltung an, verleiht das auch deinem Geist Würde. Wenn es uns deshalb darum geht, so wie Shakyamuni Buddha zu werden, müssen wir erstmal eine Haltung annehmen, die so fest wie die Shakayamunis ist. Auf diese Weise schalten wir auf die selbe Wellenlänge wie Shakyamuni: Die Form bestimmt den Inhalt.


    Buddha ist kein Begriff. Wenn wir unsere Muskeln und Sehnen ins Gleichgewicht bringen, wird dieser Körper selbst Buddha. Die Übung selbst ist Satori. Die Form ist der Geist. Die Haltung ist der Weg.


    Wieso ist Zazen so erhaben? Weil das Universum erhaben ist. Die kosmische Ordnung ist erhaben. Zazen bedeutet einfach, der kosmischen Ordnung zu folgen. Wenn wir uns in diesem Körper mit dem Universum vereinigen, dann manifestiert sich das in der erhabenen Form des Zazen. Was könnte es deshalb großartigeres für einen Menschen geben als Zazen zu üben?


    Ich vertraue darauf dass Zazen eins ist mit diesem Sawaki. Zazen ist Sawaki, Sawaki ist Zazen. Und dazwischen gibt es nicht die kleinste Lücke. Das ist gar nicht so einfach. Gewöhnlich denkst du in Zazen an das Mädchen, das dir gerade auf der Straße begegnet ist, oder an sonst irgendetwas. Doch eigentlich ist Zazen so hoch und unbeweglich wie der Berg Fuji. Zappel deshalb nicht so herum, und schlaf auch nicht ein in Zazen! Wenn ich sitze wie ein Stein dann zieht Zazen den Sawaki ganz an sich, saugt ihn auf. Das bedeutet Samadhi, und das ist mein wahres Selbst.


    Bei der Übung des Shikantaza (einfachen Sitzens) gibt es nichts hinzuzufügen. Denn Shikantaza allein erfordert bereits unsere ganze Kraft. Shikantaza ist unser Atem. Wir atmen nicht um Satori zu bekommen. Da gibt es keinen "Zweck", da ist nur das Zazen das mit Leib und Seele geübt wird. Das bedeutet nichts anderes als "einfach zu sitzen".


    Samadhi bedeutet das Selbst, für das es keinen Ersatz gibt, zu ergreifen, es bedeutet eins mit dem gegenwärtigen Augenblick zu werden. Wichtig ist, dass wir dieses Samadhi unser ganzes Leben lang fortsetzen. Gestern Zazen, heute Zazen. Tag ein, Tag aus, Jahr für Jahr Zazen üben. Auf diese Weise werden wir vertraut mit uns selbst in Zazen, und dieses Zazen zu ergreifen bedeutet nichts anderes als uns Selbst zu ergreifen.


    Setz' dich erstmal hin. Kein Grund zur Eile. Nimm in Ruhe die richtige Sitzhaltung ein. Hier ist der Startpunkt: Betrachte dein ganzes Leben aus Zazen heraus, mach' dich auf den Weg, Klarheit über dein Leben zu gewinnen.


    Ein Normalbürger, der sich in einen Heiligen verwandelt, ist nur ein karmisches Fabrikat. Die Kunst des Zazen liegt darin, einfach zu sitzen, ohne sich mit irgendetwas anderem abzugeben. Der Wert des einfachen Sitzens liegt in seiner Transparenz und Geschmacklosigkeit.


    Zazen fällt nicht auf. Die Menschen wollen ständig auffallen, deshalb können sie mit Zazen nichts anfangen. Was die Menschen als "Buddhalehre" ansehen, hat mit der Buddhalehre in Wirklichkeit nichts zu tun.


    Du übst Zazen schon seit fünf oder zehn Jahren? Was ist da schon dabei! Du musst jeden Tag ganz von Neuem nach deinem Weg suchen.


    Wenn du im vollen Lotus sitzt, wird es warm um deine Hüften werden, während sich der Blutandrang zu deinem Kopf senkt. Im Zazen geht es darum, diesen Blutandrang zu senken.


    Die Bogensehne loslassen um die Zielscheibe zu treffen: Das hat mit Zazen nichts zu tun. Denn in Zazen stellt das ganze Universum die Zielscheibe dar - es ist unmöglich, sie zu verfehlen. Dafür bekommst du dann aber auch keine Packung Zigarretten, nur weil du das Ziel getroffen hast.


    "Bringt es mir was? Oder bringt es mir doch nichts?" - lass ab von dieser Geisteshaltung und sitz einfach.


    Einsame Stille herrscht nur dort, wo du gemäß der Lehre einfach Zazen übst - ohne die kleinste Abweichung. Da gibt es dann nicht die geringste Erwartung von irgendetwas, keine spirituellen Überraschungen. Von Anfang an spielt es überhaupt keine Rolle, ob das etwas bringt oder nicht. Nichts könnte einfacher sein als das, aber gleichzeitig gibt es auch nichts, das dich in größere Unruhe versetzen würde. Ständig fragst du dich, ob mit deinem Zazen auch alles stimmt. Selbst die Schüler Dogen Zenjis scheinen Schwierigkeiten zu haben, dieses ganz reine Zazen, von dem wir gar nichts zurückbekommen, zu verstehen.


    Du übst Zazen - und das ist alles. Jede einzelne Handlung ist, als diese eine Handlung, genau diese eine Handlung. Und das ist alles.


    Shikantaza (einfach sitzen) bedeutet, mit einem Eimer ohne Boden Wasser aus dem Brunnen zu schöpfen.


    Was hat wirklich Realität? Die Haltung deines Körpers! Wie es um dein Bewusstsein steht ist nicht das Problem. Das wirkliche Problem löst sich in dem Moment, in dem du dich der richtigen Form des Sitzen überlässt.


    Deine Praxis des Shikantaza darf nicht oberflächlich sein. Du musst bis ans Ende gehen - alles ausschöpfen. "Einfach sitzen" bedeutet nicht, einfach nur so herumzusitzen. Dein ganzes Leben muss davon abhängen, dass die Richtung deiner Praxis stimmt.


    Wenn du Zazen praktizierst, ist das in Wirklichkeit gar nicht "du", der da Zazen praktiziert. Da ist nur unbegrenzte Weite, die unbegrenzte Weite praktiziert. Diese unbegrenzte Weite ist die Bedeutung des Glaubens an Zazen.


    Dein Zazen darf keine halbe Sache sein. Kein Mittel zum Zweck. Zazen muss deine Welt sein: Wenn du den Weg bis ganz ans Ende gehst, kehrst du heim an diesen Ort, hier und jetzt, ganz du selbst.


    Das Unergründliche, mit einem Wort ausgedrückt, heißt: Kein Gewinn. Und in der Umgangssprache: Zazen bringt nichts!


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