Wo beginnt ANHAFTUNG?

  • Nachdem ich soeben durch die Vielzahl der Ergebnisse zum Suchstichwort "Anhaftung" (die ich nicht alle durchlesen wollte) fast erschlagen wurde,
    sei an dieser Stelle mal die Frage gestellt:


    Wo fängt die ominöse, zu überwindende Anhaftung eigentlich an?


    Ist es z. B. bereits Anhaftung, Hobbies zu haben - selbst wenn diese völlig ungefährlich (etwa im Gegensatz zu Bergsteigen, regelmäßigem Koma-Saufen etc.) sind und andere Dinge (Familie, Beruf...) dadurch nicht beeinträchtigt werden?


    Oder wird es erst dann kritisch, wenn man feststellt, dass man "nicht ohne kann" (=das eigene Glücksgefühl davon abhängt) bzw. sich eine regelrechte Sucht danach entwickelt?

    Einmal editiert, zuletzt von Bodo ()

  • Anhaftung ist bedingt abhängig von Leidenschaft.
    Aus diesem Grund,
    kann als Orientierungshilfe diesbezüglich folgendes dienlich sein ?


    »Leidenschaft ist das, was leiden schafft«


    Sarva mnagalam


    añjalī अञ्जलि
    Dorje Sema

  • in dieser erscheinungsform mit dem ersten atemzug. das mensch "will" leben :grinsen:

  • Augenblicklich befinde ich mich in einer Situation
    - besser gesagt Empfindung,
    daß das Leben an sich schon Anhaftung IST,
    nämlich an die schwer niederdrückende Hülle des Körpers
    an die Materie.


    :evil:

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • Grüß Dich ganz recht herzlich brigitte,


    » Nicht euch gehörig


    1. Ort der Begebenheit: Sāvatthī.


    2. "Nicht ist, ihr Bhikkhus, dieser Körper euch gehörig, noch auch ist er anderen gehörig.


    3. Als das frühere Kamma [P. purānam idam kammam. Der Kommentar (II. 90.2) erklärt das mit purānakammābhinibbatto "durch das frühere K. hervorgebracht".] ist dieser (Körper) zu verstehen, ihr Bhikkhus, durch Tun hervorgebracht, durch Denken hervorgebracht, durch Empfinden hervorgebracht .
    [P. abhisamkhatam abhisamcetayitam vedayitam. Den ersten Begriff erläutert der Kommentar mit paccayehi kato "durch Ursachen entstanden", die beiden anderen mit "dessen vatthu (Stoff, Angelegenheit, Gegenstand) das Denken (bezw. Empfinden) ist". Die drei Worte werden auf den Körper (kāya masc.) bezogen und das Neutrum durch die Anlehnung an das unmittelbar vorhergehende neutrale kamma erklärt. ]


    4. Es ist daher, ihr Bhikkhus, das Gesetz von der ursächlichen Entstehung, das ein unterrichteter edler Jünger gut und reiflich erwägt,


    5. nämlich: wenn jenes ist, tritt dieses ein; aus der Entstehung von jenem folgt die Entstehung von diesem; wenn jenes nicht ist, tritt dieses nicht ein; aus der Aufhebung von jenem folgt die Aufhebung von diesem. Das heißt: aus dem Nichtwissen als Ursache entstehen die Gestaltungen; aus den Gestaltungen als Ursache entsteht das Bewußtsein usw. usw. (= 1. 3) ... Auf solche Art kommt der Ursprung der ganzen Masse des Leidens zu stande. Aus dem restlosen Verschwinden aber und der Aufhebung des Nichtwissens folgt Aufhebung der Gestaltungen, aus der Aufhebung der Gestaltungen folgt Aufhebung des Bewußtseins usw. usw. (= 1. 4) ... Auf solche Art kommt die Aufhebung der ganzen Masse des Leidens zustande." «


    S.12.37.7. Natumha Sutta


    Sarva mangalam


    Mit ganz freundlichen und herzlichen Grüßen
    Dorje Sema



  • Danke DorjeSema für den Link !
    Das hilft mir wirklich sehr, da ich
    das Denken an sich schon heute den ganzen Tag
    als das einzige Übel empfand.


    8)

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • Hallo Alle,


    ich frage mich schon länger, ob man nicht statt dem Begriff "Anhaften", den Begriff "Identifikation" verwenden könnte.


    Ich denke, manches wird mit diesem Begriff klarer. Wir identifizieren uns die ganze Zeit. Ist das nicht in buddhistischer Lesart das "Prinzip - Ich"? Identifikation? Mit Gedanken, Gerüchen, Gefühlen, Perspektiven, Ideen, Freunden, Haßobjekten, Liebesobjekten, dem eigenen Körper, dem Zuhause, der Fremde....


    Ist der Begriff "Identifikation" klarer als der Begriff der "Anhaftung"? Im westlichen Verständnis vielleicht schon.


    Gruß an Alle

  • Lieber Pops,


    ich denke, dass das dein Ansatz in die richtige Richtung führt, liegt doch die Anhaftung in einem falschen "ich" Verständnis begraben. Einmal in einer Anhaftung einer Ergreifens und einmal in einer Anhaftung des Ablehnens. Die Wurzel des Leidens liegt am missverstehen der "Persönlichkeit". Wenn es einem gelingt, diese Glied der Kette des Anhängigen Entstehens zu durchschauen, fallen alle anderen Anhaften ebenfalls weg.
    In der regeln, bemühen wir uns jedoch diese Anhaftungen Schritt für Schritt loszuwerden, um sich der Wurzel langsam zu nähern. Wenn man sich sofort auf die Tiefe stürzt, kann es sein, dass man sich übernimmt.


    Vielleicht kann man es mit Brunnengraben vergleichen. Wenn man nicht jeden Meter sichert, bevor man weiter gräbt und die Beschaffenheit des Bodens nicht immer im Auge behält, kann es sein, dass der Brunnenschacht ineinander bricht und man auf halber Strecke (weil zu gierig) von den Erdmassen erdrückt wird.


    Ich denke es ist daher gut sich Schritt für Schritt und vorallem mit Bedacht auf das Umfeld in die Tiefe zu begeben und in dieser Weise das Wasser mit Sicherheit auch erreicht.


    Vielleicht ist eine kurze Abhandlung zum Bedingen Entstehen von Interesse.
    *schmunzel*

  • pops:

    Hallo Alle,


    ich frage mich schon länger, ob man nicht statt dem Begriff "Anhaften", den Begriff "Identifikation" verwenden könnte.


    Da gibt es in der Tat viele Überschneidungen aber auch Unterschiede.
    Identifikation: Das bin ich, das gehört zu mir, dazu gehöre ich. Mein Fußballverein, meine Nation, mein Körper.
    Anhaften: Das will ich, das will ich nicht.
    Anhaften setzt das Konzept eines Ichs voraus. Das Ich will sich erweitern, sich etwas einverleiben ("Ich will") oder will sich abgrenzen (Ich will nicht).
    Jeder Akt der Anhaftung gibt dem Ich Nahrung.


    LG
    Onda

  • pops:

    Ist der Begriff "Identifikation" klarer als der Begriff der "Anhaftung"? Im westlichen Verständnis vielleicht schon.


    Beide Begriffe sind klar und keiner ist klarer. Es sind
    unterschiedliche Aspekte und entsprechen den Begriffen
    Begehren (Durst) und Verblendung.

  • Ein Begriff bedingt keine Verblendung, das Festhalten daran ist aufgrund von Verblendung bedingt.
    *schmunzel*

  • Hanzze:

    Ein Begriff bedingt keine Verblendung, das Festhalten daran ist aufgrund von Verblendung bedingt.*schmunzel*


    Ein Begriff bedingt keine Verblendung du "schmunzler" du bist wieder mal voller Weisheit.

  • Sonst konnte ja jemand glauben: "Du bist schuld!"
    *schmunzel*

  • Danke accina, Hanzze und Onda für eure Gedanken zum Thema "Anhaften~Identifikation"


    Ich meinte in Bodos Ausgangsfrage "Wo beginnt ANHAFTUNG?" ein Verständnisproblem zu erkennen.


    Ich stelle nocheinmal die Frage: ist dem Laien der Begriff (und dessen Tiefe) "Identifikation" womöglich (ersteinmal) nicht viel verständlicher als der Begriff der "Anhaftung"?. "Im Westen" benutzen wir den Begriff "Anhaften" ja eher nicht um fundamentale Prozesse der "Konstruktion von Persönlichkeit" aufzuzeigen.


    Onda:


    Anhaften setzt das Konzept eines Ichs voraus. Das Ich will sich erweitern, sich etwas einverleiben ("Ich will") oder will sich abgrenzen (Ich will nicht).
    Jeder Akt der Anhaftung gibt dem Ich Nahrung.


    Identifikation setzt ja auch etwas Identifizierendes voraus.


    Gerade in Diskussionen, die in Streit enden, sehe ich immer wieder: da indentifiziert sich jemand zu sehr mit einer Idee. Wird die Idee angegriffen, "fühlt" es sich an, als würde die eigene Person angegriffen.


    accinca:


    Beide Begriffe sind klar und keiner ist klarer. Es sind
    unterschiedliche Aspekte und entsprechen den Begriffen
    Begehren (Durst) und Verblendung.


    Ich gebe dir Recht accina. Mir geht es da nicht anders. Wie aber geht es dem "Laien" damit?


    Hanzze:


    Ich denke es ist daher gut sich Schritt für Schritt und vorallem mit Bedacht auf das Umfeld in die Tiefe zu begeben und in dieser Weise das Wasser mit Sicherheit auch erreicht.


    Ganz im diesem Sinne schlage ich Bodo den Begriff "Identifikation" als erste Näherung an die Frage "Wo beginnt ANHAFTUNG?" vor.


    Gruß an alle

  • In der Abhandlung des Bedingten Entstehens wird ganz gut beschrieben, dass es wie du auch bemerkt hast zwei Wege gibt.


    Der eine anatta, anatta, anatta... Nichtidentifizieren, nichtidentifizeren, nichtidentifizeren... Wie es denke ich z.B. Accinca und auch viele andere praktizieren oder den Stufenweisen weg. Der genauso gut ist, aber vielleicht analytischer und die Gefahr der Oberflächlichkeit und des Einstürzens (weil zu schnell) nicht so trägt.


    Im Berufsleben, Familienleben usw. (normalen Laienleben) kann das vielleicht etwas in die Hose gehen, wenn man mit "nichtidentifizieren" gleich an die Sache geht und birgt es denke ich auch leicht die Gefahr (speziell am Anfang) in Nihilismus zu verfallen.

  • Hanzze:

    In der Abhandlung des Bedingten Entstehens wird ganz gut beschrieben, dass es wie du auch bemerkt hast zwei Wege gibt.


    Der eine anatta, anatta, anatta... Nichtidentifizieren, nichtidentifizeren, nichtidentifizeren... Wie es denke ich z.B. Accinca und auch viele andere praktizieren oder den Stufenweisen weg. Der genauso gut ist, aber vielleicht analytischer und die Gefahr der Oberflächlichkeit und des Einstürzens (weil zu schnell) nicht so trägt.


    Im Berufsleben, Familienleben usw. (normalen Laienleben) kann das vielleicht etwas in die Hose gehen, wenn man mit "nichtidentifizieren" gleich an die Sache geht und birgt es denke ich auch leicht die Gefahr (speziell am Anfang) in Nihilismus zu verfallen.


    Mal so als "Laie"


    Ich identifiziere mich mit meinem Beruf und den daraus resultierenden Handlungen doch hafte ich nicht an der Identifizierung, noch an den aus den Handlungen auftretenden Erscheinungen.
    "Nicht Anhaften" ist das erkennen der Identifikation. Die Identifikation als "Verbunden mit" identifizieren.


    "Wo beginnt Anhaftung?" bei einer nicht erkannten Identifikation. Indentifikation wird als "Ich bin das..." erfahren und gelebt. Die Verblendung des "Ich bin das..." wird erzeugt und somit wird Illusion etwas zu sein, Beständiges, als wahr erlebt.


  • Da möchte ich, wenn es wirklich so verstanden ist und durchdrungen werden kann, nicht dagegen sprechen, aber kann es sein, dass es da leicht umgekehrt wirkt und aus einem Beruf und der resultierenden Handlung ein anderes "ich" entsteht, dass man beobachtet. Solange da ein Beruf ist (eine Aufgabe, ein Bestreben über das notwendige hinaus) die auch die Handlung daraus bedingt, ist da ein undurchdrungenes "ich" vorhanden. Eine Art der Illusion, des Ignorierens.
    Auch in einer versteckten Seelentheorie steckt immer ein falsches Verständnis eines "ich".


  • Ja!!!
    Ich stimme Dir ausdrücklich zu!
    Ich habe dieses Problem lange nicht lösen können. Doch es gibt einen Weg!
    Ich bin dies und das und auch das was das dies und das beobachtet ist Ich bin dies und das. Trennung erschafft nur die Sprache. Wenn ich Koch bin dann bin ich Koch da ist kein Ich mehr nur Koch. Für ich habe ich nur Zeit wenn ich nicht Handlungen ausführe. Wenn ich schreibe ist da kein Ich das schreiben beobachtet. Probier das mal aus, Du wirst sehen das deine Finger sehr schnell durcheinander kommen wenn Du dann auch als Ich da bist.

  • Und dennoch denke ich, dass du versuchst etwas dort hinzubiegen, wo du gerade stehst und nicht dorthin aufbrichst wo du wirklich bist.
    Und diese Hemmung kommt von einem "ich".


    Was nicht heißen soll, dass es nicht gut ist, wie es ist, aber es ist meiner Empfindung nach nicht am Ziel, im Frieden. Wenn du eine Tür siehst, nutze sie. Wenn noch etwas zu erledigen ist, mache es noch fertig, aber nur noch das und nicht wieder etwas neues, denn dann vergisst man leicht wieder die Tür.


    Ein Schneckenhaus ist nicht Freiheit aber es ist ein guter Schutz in der Trockenheit. Wenn der Regen kommt sollte man nicht mehr darin verweilen. Und das Schneckenhaus aus einen zusammengebastelten ich verlassen.


    Es in der Trockzeit zu verlassen wäre nicht gut. Aber wenn der Regen kommt, habe den Mut.


    Und keine ...


  • Bodo:

    Nachdem ich soeben durch die Vielzahl der Ergebnisse zum Suchstichwort "Anhaftung" (die ich nicht alle durchlesen wollte) fast erschlagen wurde, sei an dieser Stelle mal die Frage gestellt:
    Wo fängt die ominöse, zu überwindende Anhaftung eigentlich an?


    Anhaftung (upadana) beginnt, nachdem Begehren gelebt wurde.


    Begehren (tanha) ist das Annehmen/Ablehnen einer Empfindung (vedana).


    ANHAFTEN ist das warum des Ablehnens/Annehmens: alle GEDANKEN, IDEEN und Konzepte, die im Geist ablaufen.


    Das ist halt ein Teil des Bedingten Entstehens.



    Alles Gute

  • Helmut9:

    Doch es gibt einen Weg! Ich bin dies und das und auch das was das dies und das beobachtet ist Ich bin dies und das.


    Helmut


    Keine Sorge, das alles bist nicht du. Das ist nur die Verständnisebene des unendlichen Bewusstseins an die der Geist als "ich bin das" festklebt, das geht vorbei. Entscheidend ist dass man den Boden nicht unter den Füßen oder Rädern verliert.


    Liebe Grüße

    Trage nicht das Weltgetöse in die stille Einsamkeit
    Such den Wald, daß er Dich löse von der Krankheit unsrer Zeit.

  • Bodo:


    Wo fängt die ominöse, zu überwindende Anhaftung eigentlich an?


    Ist es z. B. bereits Anhaftung, Hobbies zu haben - selbst wenn diese völlig ungefährlich ....


    Es geht um eine innere Einstellung bzw. Klarheit. Nicht direkt um äußere Sachen.


    Der Eine pflanzt einen Pfirsichkern und gießt ihn. Wenn da nichts aus der Erde rauskommt, sagt er sich "Hm, das klappt wohl nicht." Wenn da ein Bäumchen wächst, freut er sich.
    Der Andere kratzt jeden Tag ungeduldig an der Erde herum und reißt den Kern heraus, um zu gucken, was schon gekeimt hat.


    Nicht das Gärtnern ist Anhaftung, sondern die Einstellung dazu.


    Anhaftung kann man nicht kurz mal überwinden, das ist ein längeres Projekt.
    Wichtig ist zu sehen, dass Anhaftung und Ablehnung ein Paar sind, das sich bedingt. Es ist nichts Verwerfliches daran - wir leben mitten drin - aber es ist wirklich interessant zu beobachten. Und daraus kann man seine persönlichen Schlüsse ziehen.

    :rainbow: Gute Wünsche für jede und jeden. :tee:


  • Losang Lamo:

    Anhaftung kann man nicht kurz mal überwinden, das ist ein längeres Projekt.


    Ja. 9.Anhaftung (d.h. Gedanken, Ideen, Konzepte) kann täglich viele Male überwunden werden. Es ist ein Training mit vielen Wiederholungen, bis Nibbana erreicht wird. Immer wieder Achtsam erkennen, das der Geist sich an Gedanken heftete, sie loslassen, entspannen und mit Wohlwollen zu Tätigkeit der Gegenwart zurückkehren. Dann ist der Vorgang des 9.Anhaftens (und aller anderen Glieder des Bedingten Entstehens) irgendwann so verstenden, das er in Zukunft nicht mehr stattfinden wird.



    Alles Gute :)