Verdunklung statt Erleuchtung

  • Hallo ihr Lieben,


    aus eigenem Erleben stelle ich mir (und euch) heute die Frage, ob es so etwas wie Verdunklung, d.h. negative Erleuchtung gibt?


    Verdunklung bedeutet dann, dass einen plötzlich eine klare Erkenntnis erfasst, ein absolutes Verstehen und Wissen, welches dann aber dazu führt, dass man in ein tiefes Loch fällt weil man begreift, in welchem Leid man sich befindet.


    Ein naher Verwandter von mir hatte auch mal diese Erkenntnis, als er kurze Zeit nicht getrunken hatte und erstmalig seit langem bei klarem Verstand war - er hat sich dann selbst umgebracht.


    Muss plötzliches, umfassendes Erkennen zur Erleuchtung führen oder kann es auch zur Verdunklung führen?


    LG,


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • Namaste!


    Hallo Milou,


    eine äußerst tragische Geschichte!


    Ich würde das beschriebene Ereignis zwar nicht als "Verdunklung" oder "negative Erleuchtung" bezeichnen, bin aber (auch aus dem Erfahrungsbericht eines Mitsitzers) absolut davon überzeugt, dass es so etwas wie ein "negatives [Teil-]Erwachen" gibt!


    Das bedeutet dann quasi ein Kenshô zu erfahren, ohne dass man das spirituelle Hintergrundwissen, oder überhaupt eine Vorstellung von einer derartigen Erfahrung, hat.
    Man erhascht [ungewolltes Wortspiel] einen Eindruck von der Realität (DAVON), weiß diese Erfahrung aber nicht im positiven Sinn zu deuten und fällt praktisch in ein tiefes Loch, da das Leben nach diesem Erlebnis keinen Sinn mehr zu haben scheint.


    Ich denke aber nicht, dass wir hier von "umfassender Erkenntnis" sprechen können [im Zen wäre dass dann wohl Satori], sondern sozusagen "nur" (immerhin!) davon, einen "kurzen Blick hinter den Schleier" geworfen zu haben; der Schleier selbst wird danach wieder geschlossen und es bleibt nur die Erinnerung an den Blick, die der Betreffende nun freilich für sich interpretiert. Diese Interpretation kann dann auch negativ ausfallen (vor allem, wenn man sich noch nie mit dieser oder verwandten Thematiken beschäftigt hat und zu einer eher materialistischen Weltsicht tendiert), zumal es sich ja um eine essentielle Erfahrung handelt, welche das Potential besitzt, die Sichtweise des Erfahrenden vollständig über den Haufen zu werfen.


    Das "negativ" aus dem von mir gewählten Terminus "negatives [Teil-]Erwachen" würde sich folglich in erster Linie auf die Konsequenzen beziehen, welche aus der Erfahrung resultieren.


    Ich wünsche angenehme Osterfeiertage!
    < gasshô >


    Benkei

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Lieber Benkei,


    bei den von Dir beschriebenen Zusammenhängen wäre es also in gewisser Weise gefährlich, nach Erleuchtung zu streben, ohne Unterstützung eines Profis.


    Wenn man aber der Meinung ist, dass man leidet und sich dann dem Buddhsimus zuwendet, um sich davon zu befreien, kann es sehr schnell passieren, dass man plötzlich erst merkt, wie sehr man wirklich leidet, d.h. dass das Leiden wesentlich umfassender ist, als man bisher gedacht hat (Verdunklung). So ist es bei mir. Ich bin aber noch lange nicht so weit, mit meinem Leid zurechtzukommen. Nun weiß ich nicht, ob ich mich einfach von der Ursache des Leidens befreien soll (was wahrlich nicht einfach ist und mir womöglich noch viel größeres Leiden beschert) oder ob ich daran arbeiten soll, die Situation in eine nicht leidhafte umzuwandeln - was ein langer und schmerzhafter Weg sein wird.


    Ich frage mich aber dennoch, ob Verdunklung nicht auch eine umfassende Erkenntnis wie Erleuchtung sein kann - Erleuchtung muss doch nicht heißen, mit dem Leid auch zurechtzukommen, oder?


    LG,


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • Der Erwachte stellte seine Einsichten manchmal in drei Stufen dar. Assada, adinava und nissarana, das heißt in etwa: Das Verlockende, die Gefahr und das Entkommen. Zuerst erkannte er was an den Sinnesdingen/der Welt so verlockend war, dann die Gefahr, die Klippen und Abgründe, die sich aus der Verstrickung in diese Dinge ergeben. Wenn man da steht und noch nicht das Entkommen sieht, dann wirds schlimm und düster.
    Man kann ja sicher zur Erkenntnis kommen, dass die Welt sinnlos, abstoßend und leidvoll ist. Wenn man aber da stehen bleibt ist der Selbstmord nicht allzuweit entfernt.


  • Es ergibt sich ein neues schwarzes Loch. Es ist mir fast unmöglich geworden hier zu schreiben. Ich werde mich wohl oder übel auf das zurückziehen für das ich hier auch bin. Zuviele Daten die alle Religiosität zerstören. Ich möchte das nicht doch, wie ich weiss, es bleibt mir nichts, als keine Wahl. Ich werde mir keine Depressionphase mehr erlauben.
    liebe Grüsse
    Helmut

  • Hallo Milou,


    ich denke diese dunklen Phasen hat jeder, der sich auf den Weg zur Freiheit macht. Es sind ja gerade diese unangenehmen Dinge in uns, die wir uns nicht anschauen wollen, welche uns die Sicht versperren.
    Sie gehören aber genauso zu uns, wie die angenehmen Dinge. Das alles will befreit werden. Aber bevor das geschieht muß man es sich nochmal in seiner ganzen Hässlichkeit anschauen.


    Wie will man auch etwas ergründen und dann losslassen wenn man es garnicht richtig kennt? Wenn man noch nicht einmal gewillt ist einen kurzen Blick darauf zu werfen?


    Die Zeit der Depression und Dunkelheit, die " dunkle Nacht der Seele", kommt bei jedem Suchenden zwangsläufig irgendwann. Ich denke entscheidend ist es in so einer Zeit, es sich so angenehm wie möglich zu machen, Schwäche zuzulassen, auf sich selbst zu achten und sich nicht noch unnnötiges Leid zusätzlich aufzubürden. Und das Wichtigste meiner Meinung nach: aktzeptieren, aktzeptieren, aktzeptieren was da geschieht, gefühlt wird. So gut und bewußt es jetzt gerade möglich ist.


    Da ja gerade Ostern ist. Jesus am Kreuz ist da sicher ein gutes Bild für totales Aktzeptieren.


    Es ist dann meist auch die Zeit des Rückzugs, was ja auch gut ist, weil dieser Prozess viel Ruhe, eine geschützte und verständnisvolle Umgebung braucht. Nur wird dieser Rückzug von der Gesellschaft meist negativ bewertet, weil wir alle so durchgedreht sind ;). Nur das tun zählt in der Gesellschaft, etwas was man sehen und vorzeigen kann, was etwas bringt. Das macht es dann natürlich nicht unbedingt einfacher, solche schwierigen Zeiten zu aktzeptieren.


    Und wenn man dann noch anfängt über sein Leiden nachzudenken, statt es einfach zu fühlen, wird es noch schwerer. Und denken ist ja unsere Lieblingsbeschäftigung.

    Bevor es richtig hell wird, muß es wohl nochmal richtig dunkel werden.


    Viel Spaß :)

  • Das mit dem nahen Verwanden von dir, tut mir leid. Weiß ja nicht ob es gerade erst passiert ist oder schon länger her ist.
    Ich finde es immer wieder schade, wenn jemand sein Heil im Tod sucht, statt sich den Herausforderungen jetzt zu stellen.
    Ich will das aber auch nicht verurteilen, da ich nicht weiß, wie sehr so jemand wirklich leidet und wie ich in so einer Situation handeln würde.


    Alles Gute und liebe Grüße

  • Zitat

    Raphy schreibt:
    ... akzeptieren ... Und wenn man dann noch anfängt über sein Leiden nachzudenken, statt es einfach zu fühlen, wird es noch schwerer. Und denken ist ja unsere Lieblingsbeschäftigung. ...


    Ich denke auch, dass das Denken möglicherweise der Feind des Erwachens ist. Solange ich über mein Leid nachdenke, verstärkt es sich eher. Wenn ich es akzeptieren und annehmen kann, ist der erste Schritt schon getan.


    Manchmal trifft man Menschen - vermeintlich einfache Gemüter - die glücklich sind ohne zu denken, ohne eine Vorstellung von Leid oder Glück mit sich herumzuschleppen. Manchmal beneide ich diese um ihr Glücklichsein, obwohl ich der Meinung bin, dass ohne Denken/Erkenntnis das Glück nicht vollkommen ist.


    Ist es nur meine Einbildung, dass umfassendes Glück nur umfassend sein kann, wenn ich mir meines Glückszustands vollkommen bewusst bin? Wenn ich die optimale Sonne haben möchte, so muss ich einen immer sonnigen Berggipfel erklimmen. Vor dem sonnigen Gipfel liegt nochmal ein tiefes, dunkles Tal, vor dem Tal ein halbsonniger Hügel. Ist es nicht weniger anhaftend, wenn man sich mit dem manchmal sonnigen und manchmal schattigen Hügel zufrieden gibt, anstatt das tiefe, dunkle Tal zu durchschreiten um den immer sonnigen Gipfel zu erreichen? Oder betrüge ich mich nur selbst, weil ich mich davor fürchte, durch das dunkle Tal zu schreiten?


    LG,


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • Zitat

    Raphy schreibt:
    ... Das mit dem nahen Verwanden von dir, tut mir leid. Weiß ja nicht ob es gerade erst passiert ist oder schon länger her ist. ...


    Das ist schon viele Jahre her, hat mich aber in seiner Bedeutung schon berührt. Das plötzlich Erkennen, wie gewaltig der angesammelte Haufen Mist ist, den man vor seiner Haustür liegen hat (stammt von Ajahn Brahm) kann einen schon überwältigen. Je nach persönlicher Konditionierung holt man sich dann die Mistgabel - oder man gibt auf. Das letztere war nie mein Weg, aber den Weg anzuschauen, den man noch vor sich hat, kann einen gewaltig einschüchtern. Man muss es wohl mit den Chinesen halten, die so oder so ähnlich sagen:

    Zitat

    Auch eine Lange Reise beginnt mit dem ersten Schritt.


    LG,


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • Namaste & frohe Ostern!


    Hallo Milou,

    Milou:

    bei den von Dir beschriebenen Zusammenhängen wäre es also in gewisser Weise gefährlich, nach Erleuchtung zu streben, ohne Unterstützung eines Profis.


    Darauf wollte ich eigentlich nicht hinaus.
    Meine These ist eher, dass man eine Erwachenserfahrung besser "verarbeiten", sprich: zum positiven "wenden" kann, wenn man sich vorher mit der Thematik auseinandergesetzt hat.


    Beispiele:
    - Ein Zen-Mensch (ob er nun mit oder ohne Lehrer praktiziert) wird eine Erwachenserfahrung wohl entweder als Kenshô erkennen, oder sie vielleicht als Täuschung abtun.
    - Ein Praktizierender des tibetischen Buddhismus wird diese Erfahrung vielleicht als "Schau von Rigpa" erkennen.
    - Ein Theist wird der Erfahrung vielleicht den Namen "Gegenwart Gottes" oder "göttliche Eingebung" geben.


    Aber darüber hinaus: wenn man bei der Erfahrung gerade (s)einen (verwirklichten) Lehrer parat hat, kann das natürlich ungemein nützlicher sein.


    Milou:

    Wenn man aber der Meinung ist, dass man leidet und sich dann dem Buddhsimus zuwendet, um sich davon zu befreien, kann es sehr schnell passieren, dass man plötzlich erst merkt, wie sehr man wirklich leidet, d.h. dass das Leiden wesentlich umfassender ist, als man bisher gedacht hat (Verdunklung).


    Das klingt für mich, als wenn das Leiden erst durch die Beschäftigung mit dem Buddhismus zugenommen hätte...

    Das ist wahrscheinlich eine Herangehensweise an die Vier Edlen Wahrheiten, die den Schwerpunkt zusehr auf die erste Edle Wahrheit - "das Leiden" legt.
    Die Edlen Wahrheiten sind aber Vier! Und der Hauptaspekt ist wohl die vierte Edle Wahrheit, also der Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt, der Edle Achtfache Pfad der in der Mitte liegt.
    Sein Hauptaugenmerk auf das Leiden zu legen, ist aber keinesfalls der Mittelweg, sondern ein Extrem, welches es zu vermeiden gilt.


    Wenn mich jemand mit akuten Problemen fragen würde, ob der Buddhismus eine Lösung anbietet, dann würde ich wohl zuerst einmal daraufhinwirken, dass die akuten Probleme bereinigt werden. Danach kann man sich dann intensiver mit dem Dharma beschäftigen.
    Für die Lösungen kann man natürlich bereits buddhistische Techniken anwenden:
    - Was ist das Problem (Leiden)?
    - Was ist die Ursache für das Problem?
    - Wie kann das Problem aus der Welt geschafft werden?
    - Was muss ich ganz konkret tun, um das Problem aus der Welt zu schaffen?


    Die ganze Masse von philosophischen Anschauungen der einzelnen buddhistischen Schulen, Konzepte wie Nicht-Selbst, Nur-Geist, Anatman, Vergänglichkeit usf., können einem Menschen mit ernsthaften Problemen bestimmt viel weiteren Schaden zufügen. Es kommt wohl nicht von ungefähr, dass der Buddha oder die großen Meister solche Lehren nicht zu jeder Gelegenheit lehrten.


    < gasshô >


    Benkei

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Namaste!

    Milou:

    Das plötzlich Erkennen, wie gewaltig der angesammelte Haufen Mist ist, den man vor seiner Haustür liegen hat (stammt von Ajahn Brahm) kann einen schon überwältigen. Je nach persönlicher Konditionierung holt man sich dann die Mistgabel - oder man gibt auf.


    Shinran Shonin [Gründer der japanischen Jôdo Shinshû-Tradition des Reinen Land-Buddhismus] betrachtete sich selbst als "dummes Wesen voll von blinden Leidenschaften, welches seit anfangloser Zeit schlechtes Karma ansammelt und unfähig ist irgendeine gute Tat zu vollbringen". Aber selbst diese Erkenntnis, diese Einsicht, bewirkte bei ihm letztlich kein Aufgeben, sondern er gelangte zu der Gewissheit, von Buddha gerettet zu sein - hier und jetzt im Reinen Land zu leben.


    Milou:

    Das letztere war nie mein Weg, aber den Weg anzuschauen, den man noch vor sich hat, kann einen gewaltig einschüchtern. Man muss es wohl mit den Chinesen halten, die so oder so ähnlich sagen:

    Zitat

    Auch eine Lange Reise beginnt mit dem ersten Schritt.


    Der Weg, den man vor sich hat, ist letztlich nur ein Konzept!
    Lang - kurz,
    steil - gerade,
    steinig - eben -
    alles nur zwei Seiten derselben Münze, die man "falsche Anschauungen" nennt!


    Im "Sandokai" heißt es:
    Wenn du den Weg direkt vor dir nicht verstehst,
    wie willst du ihn beim Gehen erkennen?
    Vorankommen ist keine Frage von fern oder nah,
    aber wenn du verwirrt bist, so versperren Berge und Flüsse deinen Weg.


    Meister Hakuin sagt:
    Wahrlich, was könnte noch fehlen?
    Nirvâna ist hier, vor unseren Augen!
    Dieser Ort ist das Reine Land,
    Dieser Körper ist der Buddha!


    Meine Entschuldigung für diesen vielleicht sinnlosen Zen-Exkurs ;)


    Einen schönen Ostersonntag!
    < gasshô >


    Benkei

    "Allmorgendlich beginne ich meinen Tag damit, den Spiegel zu polieren;
    Täglich türme ich neue Staubschichten auf;
    Allabendlich beende ich meinen Tag damit, weiter zu polieren;
    Und scheinbar wirbelt auch ein Schlafender noch Staub auf."
    HôShin

  • Milou:
    Zitat

    Raphy schreibt:
    ... akzeptieren ... Und wenn man dann noch anfängt über sein Leiden nachzudenken, statt es einfach zu fühlen, wird es noch schwerer. Und denken ist ja unsere Lieblingsbeschäftigung. ...


    Ich denke auch, dass das Denken möglicherweise der Feind des Erwachens ist. Solange ich über mein Leid nachdenke, verstärkt es sich eher. Wenn ich es akzeptieren und annehmen kann, ist der erste Schritt schon getan.


    Manchmal trifft man Menschen - vermeintlich einfache Gemüter - die glücklich sind ohne zu denken, ohne eine Vorstellung von Leid oder Glück mit sich herumzuschleppen. Manchmal beneide ich diese um ihr Glücklichsein, obwohl ich der Meinung bin, dass ohne Denken/Erkenntnis das Glück nicht vollkommen ist.


    Interessante Fragen. Kenne ich von mir.
    Das Denken an sich ist nichts schlechtes. Ich sehe es aber eher als Werkzeug oder als Diener. In unserer jetzigen Gesellschaft scheint es mir aber eher so zu sein, dass das Denken der Meister geworden ist und alles andere unterwirft. Der Verstand ist eher ein Tyrann, als ein weiser, guter König.
    Deswegen habe ich für mich entdeckt, meine Aufmerksamkeit weniger auf den Verstand zu richten, sondern mehr hier zu sein. Das Leben zu erleben und weniger zu "zerdenken". Mehr auf das Herz und den Bauch zu hören.
    Meine Erfahrung ist, wenn man das Denken braucht passiert es. Und das ist nicht so oft.
    Ich versuche das Denken eher als Werkzeug zu benutzen oder auch mal zur Unterhaltung. Aber für mich wird immer klarer, dass ich nicht das Denken bin. Es kommt mir eher wie eine Art Berauschung vor, wie ein Hamsterrad das sich immer weiter und schneller dreht je mehr man sich damit identifiziert. Es bringt mich weg von "hier".
    Inwieweit Denken wirklich der Befreiung dienlich ist oder nur einen Anfangsschritt darstellt weiß ich nicht. Aber ich bleibe dran :D



    Zitat

    Ist es nur meine Einbildung, dass umfassendes Glück nur umfassend sein kann, wenn ich mir meines Glückszustands vollkommen bewusst bin? Wenn ich die optimale Sonne haben möchte, so muss ich einen immer sonnigen Berggipfel erklimmen. Vor dem sonnigen Gipfel liegt nochmal ein tiefes, dunkles Tal, vor dem Tal ein halbsonniger Hügel. Ist es nicht weniger anhaftend, wenn man sich mit dem manchmal sonnigen und manchmal schattigen Hügel zufrieden gibt, anstatt das tiefe, dunkle Tal zu durchschreiten um den immer sonnigen Gipfel zu erreichen? Oder betrüge ich mich nur selbst, weil ich mich davor fürchte, durch das dunkle Tal zu schreiten?


    LG,


    Milou


    Ja, ich denke auch, dass es weniger anhaftend ist sich mit dem manchmal sonnigen und manchmal schattigen Hügel zufrieden zu geben. Denn das führt meiner Erfahrung nach in Richtung Frieden. Wenn man das sonnige im Leben so akzeptiert wie es passiert und dem nicht nachjagd (Habenwollen) und das schattige im Leben so akzeptiert wie es passiert und es nicht versucht losszuwerden (Ablehnung). Man ist einfach glücklich, weil Ablehnung und Habenwollen dieses Glück überdecken. Es ist eigentlich die ganze Zeit da dieses Glück, so erscheint es mir jedenfalls.


    Was uns in diese tiefen, dunklen Täler stürzt, ist eben dieses nichtakzeptieren können von dem was jetzt hier ist. Man kann sich aber auch nicht entscheiden: "Ab heute hafte ich nie wieder an etwas an oder lehne nie wieder etwas ab. Werde alles akzeptieren was passiert. " Es wird trotzdem passieren, vielleicht noch für eine lange Zeit. Das ist das Dilemma. Das ist unser gegenwärtiges Karma. Es bringt nichts gegen sich selbst und seine Natur zu kämpfen. Wir kämpfen ja eh schon die ganze Zeit gegen uns.
    Aber man kann sich entscheiden auf was man seine Aufmerksamkeit richtet. Man kann erkennen, was einem selbst gutttut und was man eigentlich wirklich will. Unabhängig davon was die verrückte Welt da draußen meint was wir zu wollen haben. Und dann wird der Weg klar sein. Das kommt dann aber eher aus dem Herzen, als aus dem Kopf.


    Ich denke auch nicht, dass man die dunklen Täler suchen muß. Die dunklen Täler kommen zu einem, wenn es so weit ist. Es ist meiner Erfahrung nach sogar so, dass man durch akzeptieren eher in so ein reinigendes Gewitter gerät. Jedenfalls die Gewitter die in diesem Leben auf jeden Fall dran sind. ;) Und wenn man dann Lust auf nochmehr Gewitter hat kann man ja meditieren :D
    Es ist ja auch ok sich vor dem tiefen dunklen Tal zu fürchten. Man sollte wohl nichts tun was einen momentan überfordert. Das Leben hilft, sich da langsam heranzutasten.


    Ich denke es ist gut, ersteinmal so eine Art inneren "Grundfrieden" zu fühlen, es sich angenehm zu machen, um dann vielleicht die dunklen Täler aktiv zu suchen.


    So jedenfalls meine Erfahrungen und Ansichten, die natürlich subjektiv sind und nicht der Wahrheit entsprechen müssen.



    Zitat

    Ist es nur meine Einbildung, dass umfassendes Glück nur umfassend sein kann, wenn ich mir meines Glückszustands vollkommen bewusst bin?


    Ja, ist auch meine Erfahrung. Ich würde auch Unbewußtheit mit Unwissenheit gleichsetzen und Bewußtheit mit Wissen. Dann hat das ganze nicht mehr in erster Linie etwas mit dem Verstand zu tun.



    Liebe Ostergrüße

    3 Mal editiert, zuletzt von Raphy ()

  • P.S.:
    Mir kommt es auch so vor, als wenn es zwei Arten von dunklen Tälern oder Leid gibt.
    Einmal das normale Leid, das daraus entsteht weil wir dem Habenwollen und Ablehnung nachgehen. Das Leid ist nicht immer so offensichtlich und unmittelbar. Es basiert ja auch auf Unbewußtheit oder Unwissenheit.
    Und dann das andere Leid, das daraus entsteht weil wir dem Habenwollen und der Ablehnung nicht mehr so stark nachgehen. Wenn wir immer mehr sehen, dass es uns so garnicht gibt wie wir immer dachten. Wenn immer mehr Licht auf unsere unbewußten und verdrängten Anteile fällt. Wenn Dinge wegfallen mit denen wir uns identifiziert haben. Es basiert eher auf Bewußtheit oder Wissen.

  • Raphy:

    P.S.:
    Mir kommt es auch so vor, als wenn es zwei Arten von dunklen Tälern oder Leid gibt.
    Einmal das normale Leid, das daraus entsteht weil wir dem Habenwollen und Ablehnung nachgehen. Das Leid ist nicht immer so offensichtlich und unmittelbar. Es basiert ja auch auf Unbewußtheit oder Unwissenheit.
    Und dann das andere Leid, das daraus entsteht weil wir dem Habenwollen und der Ablehnung nicht mehr so stark nachgehen. Wenn wir immer mehr sehen, dass es uns so garnicht gibt wie wir immer dachten. Wenn immer mehr Licht auf unsere unbewußten und verdrängten Anteile fällt. Es basiert eher auf Bewußtheit oder Wissen.


    Das ist richtig beobachtet. Bewusstsein wird als Nahrung betrachtet. Und es ernährt unsere Geistesobjekte, unsere Vorstellungen von etwas.
    http://www.palikanon.de/wtb/ahara.html


    Es wird dann auch mit Schwertern verglichen in einem Sutta.
    Davon gilt es sich aber auch zu lösen - und alle Illusionen durchzutrennen. Bewusstsein ist eben auch ein skandha und die wesentliche Klammer die Körper und Geist verbindet. Trennt man das, dann fallen diese ab, wie zwei Reisbündel, die sich gegenseitig stützen.


    Wenn jemand plötzlich, wie in diesem Beispiel, nüchtern wird und so ernüchtert Einsicht gewinnt, dann ist das, wie jedes vermeintliche Kensho ein Angriff auf alle fünf Hindernisse - nivaranas - und wenn man dann in Verzweiflung gerät, dann kann man sich eben umbringen. Habe ich kürzlich auch erfahren, dass das so leider möglich ist.
    Da hilft leider weder ein Profi noch ein Nicht-Profi. Nur für sich selbst sollte man das in Betracht ziehen - es gibt, nachdem die beiden Hindernisse Gier und Aversion gemildert sind, das stärkere In-Erscheinung-Treten von Trägheit und Hektische Aktivität und dann den skeptischen Zweifel, der, wenn er nicht durch ein immer tieferes Vertrauen begründet wird, eben zur Verzweiflung wird.


    Das muss man sich als Hand mit fünf Fingern vorstellen - wenn zwei Finger weitgehend aus dem Verkehr gezogen sind, entwickeln die drei anderen eine umso stärkere Aktivität und es dauert dann schon, bis sie sich selbst zurück ziehen.


    _()_

    2 Mal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Vielen lieben DANK Benkei,


    für diese IMHO: wertvollenBeiträge u. Exkurse.
    Über ersteren,
    den wertvollen,
    war ich erst astonished und dann ernüchtert,
    alsdann Sonnenaufgang im Morgengrauen.
    Nun,
    ich hab ein Osterei gefunden.
    DANKE
    [Sehr nett dieser Fingerzeig, einer Großmutter]


    Dir auch
    Einen schönen Ostersonntag!


    Sarva mangalam


    Mit ganz freundlichen und herzlichen Grüßen
    Dorje Sema



  • Zitat

    Raphy schreibt:
    ... Und dann das andere Leid, das daraus entsteht weil wir dem Habenwollen und der Ablehnung nicht mehr so stark nachgehen. Wenn wir immer mehr sehen, dass es uns so garnicht gibt wie wir immer dachten. Wenn immer mehr Licht auf unsere unbewußten und verdrängten Anteile fällt. Wenn Dinge wegfallen mit denen wir uns identifiziert haben. Es basiert eher auf Bewußtheit oder Wissen. ...


    Genau diese Art von Leiden meinte ich. Ich hatte was ähnliches schon 1990 zur und nach der Wende. Wenn einem das ideologische Weltbild wegbricht und man erkennt, dass alles woran man vorher geglaubt hat falsch, indoktriniert und letztlich sinnlos war, dann steht man erstmal ziemlich hilflos und leer da.


    Leer wäre sicher gut, aber der Geist vieler war auf die Leere nicht vorbereitet. Also versank er in Selbstmitleid wegen der Sinnlosigkeit des Seins, oder er suchte sich einen anderen Sinn, z.B. eine Religion. Für mich war die Wende eine riesige Chance (ich war gerade 20), also habe ich nicht gelitten, sondern war begeistert, wegen der Möglichkeiten. Viele andere im Osten, gerade Ältere, sind in sehr tiefe Löcher gefallen.


    Nun, jetzt gerade geht es mir ähnlich, etwas was ich selbstverständlich, normal, ja sogar gut fand, hat sich mir als die wohl größte Quelle meines Leidens offenbart. Das reißt einem den Boden unter den Füßen weg. Zum Glück habe ich, seit ich hier angemeldet bin (Februar) schon einen kleinen, aber anscheinden hinreichenden Schritt auf dem Weg der Lehre gemacht, so dass ich das Gefühl habe, ich könnte mit der Situation zurechtkommen.


    Ich lese gerade Jack Kornfield: Nach der Erleuchtung Wäsche waschen und Kartoffeln schälen. Wie es der Zufall so will bin ich gerade in dem Kapitel über die verschiedenen Stufen der Erleuchtung und die manchmal sehr dunkle Nacht dazwischen. Nunja, ich bin nicht erleuchtet. Ich würde es noch nichteinmal Kensho nennen. Aber ich bin mir sicher, dass vor den Stufen der Erleuchtung viele kleine und große Stufen der Erkenntnis liegen. Auch zwischen diesen gibt es dunkle Nächte und helle Tage. Vielleicht komme ich ja irgendwann am Nordpol meines Geistes an, wo die Nächte weniger dunkel und die Tage weniger hell sind. Ich hoffe dann ist mein Gleichmut trotzdem noch warm und nicht wie die nordische Kälte. ;)


    LG,


    Milou

    "... Wer jedoch nur Ochsenscheiße hat im Geist, der sieht nur Ochsenscheiße überall."

  • ...es ist so, als würde man merken, dass es dunkel ist und eine Kerze anzündet. Es wird plötzlich heller und man freud sich. Rückt näher an den Tisch und will weiter tun, doch wirft man seinen Schatten auf das was man betrachtet, woran man arbeitet. Das kann einem dann so erscheinen, als würde es wieder dunkel sein.


    Nimm dich einfach aus dem Licht, dann ist da kein Schatten mehr. Je besser man versteht, von wo das Licht kommt und wie man Schatten vermeidet, desto heller wird es. Wenn es wieder dunkel wird, ist es nur der Schatten den man sich selber wirft. Das Licht ist dennoch, einmal angezündet, da. Nimm dich aus dem Licht!

  • Hanzze:

    ...es ist so, als würde man merken, dass es dunkel ist und eine Kerze anzündet. Es wird plötzlich heller und man freud sich. Rückt näher an den Tisch und will weiter tun, doch wirft man seinen Schatten auf das was man betrachtet, woran man arbeitet. Das kann einem dann so erscheinen, als würde es wieder dunkel sein.


    Nimm dich einfach aus dem Licht, dann ist da kein Schatten mehr. Je besser man versteht, von wo das Licht kommt und wie man Schatten vermeidet, desto heller wird es. Wenn es wieder dunkel wird, ist es nur der Schatten den man sich selber wirft. Das Licht ist dennoch, einmal angezündet, da. Nimm dich aus dem Licht!


    Ich finde das super ! Ich würde noch sagen, dass, solange noch ein Ego, eine Ich-Vorstellung da ist, die mit dieser Erkenntnis gestärkt wird, können "Erkenntnisse" auch leidbringend sein. Das hat aber nichts mit der wahren Erkenntnis oder der Weisheit zu tun, denke ich. Wie seht ihr das ?


    Simo

    Kein "Ich" - keine Probleme.

  • Hanzze:

    ...es ist so, als würde man merken, dass es dunkel ist und eine Kerze anzündet. Es wird plötzlich heller und man freud sich. Rückt näher an den Tisch und will weiter tun, doch wirft man seinen Schatten auf das was man betrachtet, woran man arbeitet. Das kann einem dann so erscheinen, als würde es wieder dunkel sein.


    Nimm dich einfach aus dem Licht, dann ist da kein Schatten mehr. Je besser man versteht, von wo das Licht kommt und wie man Schatten vermeidet, desto heller wird es. Wenn es wieder dunkel wird, ist es nur der Schatten den man sich selber wirft. Das Licht ist dennoch, einmal angezündet, da. Nimm dich aus dem Licht!


    Setze dich hin, gehe in Versenkung, sei Du selber und Du bist DAS Licht. Da gibt es keinen Schatten. Nur Das Licht Du selber. Verlasse DEN Sitz und Du kannst Schatten sehen doch Du GLAUBST nie wieder an Schatten.

  • Erdmaus:

    Schatten und Licht treten immer gemeinsam auf.


    spätestens, wenn ich meinen Schatten nicht mehr sehe
    und meine Füße im Sand keine Spuren mehr hinterlassen,
    bin ich mir gewiß, im Lande der Sterblichen nicht mehr zu wandeln.


    ;)

    Es ist eine wahre Schmach und Schande, daß wir Christen wie blinde Hühner umhergehen und nicht erkennen, was in uns ist und davon gar nichts wissen.
    Johannes Tauler

  • brigittefoe:
    Erdmaus:

    Schatten und Licht treten immer gemeinsam auf.


    spätestens, wenn ich meinen Schatten nicht mehr sehe
    und meine Füße im Sand keine Spuren mehr hinterlassen,
    bin ich mir gewiß, im Lande der Sterblichen nicht mehr zu wandeln.


    ;)


    Jo - und wenn du durch geschlossene Türen gehst und Menschen nicht reagieren wenn du sie ansprichst, solltest du dir ernsthaft Sorgen machen :lol:


    Da gabs doch mal so einen Film.. Wie hieß der denn nochmal...

  • Jetzt stell sich einer mal vor, die "modernies" hätten statt Spielfilmen suttras gehört. Das ging nur so "Zack, Zack, Zack" *lol*