Lama Palmo:Alles anzeigenVom "Ismus" zum Dharma
Eigentlich komisch. Immer wieder wird an mich das große WARUM heran getragen. Warum musste es ausgerechnet diese Religion sein? Konntest du nicht innerhalb der Religion, die so offensichtlich in deinem Land am weitesten verbreitet ist, deinen Weg suchen und finden?
Wenn es so einfach gewesen wäre, wäre ich wahrscheinlich überzeugter Christ geworden. War es aber nicht. Nicht, dass ich eine besondere Abneigung gegenüber der landesüblichen Religion hatte, aber eben auch keine besondere Anziehung zu ihr verspürte. Wiederum komisch, denn ich verbrachte meine Volksschulzeit in einer katholischen Privatschule und eine Nonne unterrichtete uns die ersten beiden Jahre. Ich verehrte sie, ihre Demut und Hingabe, ihre Einsgerichtetheit, ihr fester Entschluss, ihr Leben den anderen zu widmen, eingebettet in eine so freudvolle Institution wie dem Orden, dem sie angehörte. Dennoch war mir der Zugang zum wirklichen Verständnis dessen, was sie uns lehrte, immer verwehrt. Ich versuchte es, betete, immer wieder zog es mich in die Kirche, um mit der Gemeinschaft Gebete zu verrichten. Dennoch waren es für mich Worte ohne Sinn, ich verstand nicht, was das Ziel sein sollte. Nicht, weil es nicht zu verstehen war, es war einfach nicht mein Weg. Aber was war mein Weg? In mir war dieses tiefe Verlangen nach Religion, nach Spiritualität, das unge- und erhört blieb.
Ismen bestimmten meine Jugend
So verging die Zeit und ich wurde überzeugter Atheist, Nihilist, dann Existentialist, tauschte einen Ismus durch den anderen aus, definierte mir einen Glauben, der meinem Verständnis von Religion entsprach, weitab von dem, was ich gehört und gelernt hatte. Trotzdem immer noch auf der Suche nach wahrer Religion. Dann trat ein neuer Ismus in mein Leben. Der Buddhismus. Das, was die Lamas übertrugen, berührte mich von Anfang an tief, es spiegelte mein Denken, mein Leben, meine Überlegungen wider, all das, was ich von frühester Kindheit tief in mir spürte. Das, was ich mir als Glauben für mich definiert hatte, übertrugen die Lehrer jetzt als Buddhas Lehren. Es war mir alles so vertraut. Ich war mir sicher, die Lehren nicht zum ersten Mal zu hören. Früher dachte ich immer, ich war zumindest eigenartig, denn meine Anschauungen wichen immer von der Norm ab, aber jetzt entdeckte ich, dass all das, was in mir war, die Lehrer nun erklärten. Dennoch, ich war ein Kind des Westens, ein geübter Denker, Theoretiker, In-Frage-Steller, Zweifler. Ich prüfte die Lehren, die Lehrer und ließ mir lange Zeit. Alleine schon mit der Tatsache, dass es sich beim Buddhismus wieder um ein fixes Gedankengut, eine Welt in sich, abgegrenzt von allem anderen handeln sollte, machte mich stutzig. Wie ich überhaupt auf die Idee kommen konnte, dass es sich dabei im ein fixes System handle, hatte mit den Büchern zu tun, die auf mich kamen, und die ich las. Nach guter alter, westlicher Manier dachte ich, diesen Ismus durch das von zumeist Westlern geschriebene Wort zu ergründen. Und wurde enttäuscht. Schon wieder komisch. Nach heutiger Sicht verstehe ich allerdings, warum mein Erforschen nicht funktionierte. Die Lehren sind lebendig, sie müssen von dazu authorisierten Lehrern, die sie übertragen und erklären, weiter gereicht werden. Zu der Zeit, zu der der Schüler dazu bereit ist.
Dennoch war diese Anziehung zu den Lamas da, es zog mich zu ihnen, und ich folgte diesem Ruf meines Innersten. Und, nicht nur, dass all meine Fragen logische Erklärungen erfuhren, all die Zweifel, die ich hatte, so lernte ich, waren sogar erwünscht. Buddha selbst erklärte, er wolle, dass niemand ihm blind glaube, aber das, was er lehre, genau für sich überprüfe. Denn, wenn das, was Buddha lehrte, Sinn für den einzelnen macht, so zeigt meine Erfahrung, entsteht automatisch ein gesunder, auf fruchtbarer Basis entstandener, Glaube.
Je mehr Belehrungen ich von diesen reinen Lehrern erhielt, umso mehr wurden die falschen Ansichten, die sich in meinem Bewusstsein gebildet hatten, korrigiert, ich begann, wieder das zu fühlen, was ich als kleines Kind spürte. Die Lehrer trugen die Schichten meiner gröbsten Verwirrungen nacheinander ab, sie schälten diese Zwiebel, die nach außen so hart schien und bemühten und bemühen sich immer noch, zu ihrem weichen, vitalen Kern vorzudringen. Diese Hingabe und Liebe, dieser absolute Wunsch, mein Leben mit und für die Religion, für alle fühlenden Wesen zu geben, war nun stärker als je zuvor da.
Endlich zuhause!
Nun war ich wirklich bereit, all mein Tun, mein ganzes Sein Buddha, seiner Lehre uns seiner Gemeinschaft aus ganzem Herzen, mit Hingabe und Demut anzuvertrauen. Begann zu verstehen, dass Buddhismus kein statisches Konstrukt ist, dass sogar der Name, der ihm von Westlern gegeben wurde, die den Dharma, die Lehre, umschreiben sollte, von Menschen geprägt worden war, die geübt und gelernt waren im Umgang von Ismen. Die Lamas würden nie von Buddhismus als Ismus sprechen. Das, was wir heute in unserem Wunsch nach Uniformität und Schubladendenken mit dem Stigma des Ismus versehen haben, ist nichts anderes als Dharma, die reine Lehre Buddhas, all die Weisheit, die wir in uns selbst zu erwecken uns bemühen, alle Schriften, Methoden und Techniken, die die reinen Lehrer in unkontaminierter Form in einer ungebrochenen Linie weiter übertragen haben, die bis zum heutigen Tag intakt und lebendig sind und alle jene zur Befreiung führen können, die sie aufrichtig und ehrlich mit der richtigen Motivation praktizieren und nach ihnen leben.
Dharma ist Wahrheit, letztendliche und absolute Wahrheit. Alle, die diesen stufenweisen Weg gehen, werden diese unbefleckte, vollkommene Freude, jenseits von Leid, erfahren. Das zu verwirklichen, damit alle fühlenden Wesen diesen Geisteszustand erreichen, in die unendliche Glückseligkeit eintauchen können, dem habe ich mich verschrieben. Mein Leben voll Vertrauen in die Hände von Buddha, Dharma und Sangha gelegt.
(erschienen in Ursache & Wirkung 10. Jahrgang, Nr.31, 1/2000)
(http://www.palpung.eu/artikel/from-ism-to-dharma/de/)
Schöne Grüße
KDR