Jhana für normale Menschen

  • Hallo Leute,


    ich will hier mal eine gewagte These in den Raum werfen.
    Besonders im Theravada, so scheint es mir jedenfalls, wird ja viel Wert gelegt auf die Jhana- und Vipassanapraxis. Ob man das jetzt als 2 voneiander getrennte Meditationen sieht oder nicht, sei jetzt mal dahingestellt.
    So wie ich das verstehe dient Jhana vor allem der Läuterung des Geistes, man versetzt ihn in einen guten Zustand damit er seine Arbeit erledigen kann, es ist sehr angenehm, und vipassana dient vor allem dem Annehmen und Auflösen seines Dukkha, mithilfe des geläuterten Geistes, es ist eher unangenehm, jedenfalls solange man noch nicht aktzeptiert hat.
    Und es gibt ja auch manchmal die Diskussion ob Jhana nur in formeller Meditation oder auch im Alltag bei ganz normalen Tätigkeiten möglich ist.
    Mir kommt es jetzt so vor, als wenn Jhana und Vipassana auch ihre Entprechungen im normalen Alltagsbewußtsein haben. Wenn ich versuche Situationen für mich zu schaffen wo ich Spaß und Freude habe, Situationen die mir sehr angenehm sind, und ich mich da hineinfallen lasse, mich einfach vom Spaß und der Freude erfüllen lasse, dann kommt es mir ein bisschen wie Jhana auf gröberer Ebene vor. Je mehr ich mich in diese freudige Tätigkeit fallen lassen kann, desto ähnlicher wird es dem meditativen Jhana. Könnte man also vielleicht sagen Spaß und Freude, bewußt erlebt, ist so eine Art Vorbereitung auf die meditativen Jhanas? Oder "Jhana" auf grober Ebene? Sozuagen eine Art "Jhana" für Menschen die noch nicht so den meditativen Zugang dazu haben? Also mir kommt es so vor. Der Geist erscheint mir dannach klarer und er ist auch viel mehr bereit dass Dukkha auzuhalten und dann anzunehmen. Was dann sozusagen das grobe Vipassana wäre, einfach das Dukkha was einem im Alltag begegnet auszuhalten und anzunehmen.
    Damit wäre dann auch eine Brücke geschlagen zwischen Wegen die vor allem außen im Alltag ansetzen und vielleicht vielen hier zu "seicht" scheinen, aber dann doch als Vorbereitung/ Ergänzung zu tieferer Meditation ihre Berechtigung hätten und eben den meditativen und mehr nach innen gerichteteten Wegen.
    Ja das ist mal so eine verückte Idee von mir :) , mich würde auf jeden Fall interessieren was ihr dazu sagt, auch Kritik ist erwünscht.


    Liebe Grüße

    Einmal editiert, zuletzt von Raphy ()

  • Hallo,


    Jhana für normale Menschen, warum nicht? Es gibt in der Literatur Beispiele das im Alltag oder besser jenseits der formellen Praxis Jhanazustände erreicht werden. Der Buddha errinnerte sich wie er in seiner Jugend unter dem Schatten eines Baumes saß und in die erste Vertiefung eintrat. Du beschreibst auch ähnliche Zustände im Alltagsbewußtsein. Mir sind wie du es schön beschrieben hast, auf der gröberen Ebene im Alltag auch Vertiefungszustände oder besser Gefühle bewußt. Wobei ich mich dann meistens im gehen oder fahren befinde.


    Bin der Meinung, dass Gefühlszustände die auf Grund von Konzentration entstehen nicht unbedingt gleich Jhanas sein müssen. Soll heißen, nur weil eine gewisse Geistesruhe verwirklicht ist und angenehme Gefühle aufsteigen muss das nicht eine Vertiefung/Vertiefungszustand sein. Auch wenn diese Gefühlszustände eine Entsprechung in der Beschreibung der einzelnen Jhanas finden.


    Für mich hat es im Alltag eher mit Geistesklarheit zu tun. Die Dinge in jedem Augenblick in Ihrer Soheit zu sehen bzw. langsam zu erkennen. Hier liegt für mich der Vorteil in der Praxis der Vertiefungen. Der Geist ist klar und gefestigt jenseits der Praxis. Somit verwirklicht sich der Spruch meditaion ist Leben und Leben ist meditation. In den einfachen alltäglichen Dingen im jetzt, als auch im komplizierten Tagesgeschehen wo einfach Konzentration in der Sache gefordert ist. Daraus entfalten sich auf natürliche Weise nicht nur Freude und Mitgefühl. Und, das koppelt sich auf die formelle Praxis zurück. In der Sache bin ich daher Deiner Meinung. Nur das mit dem zu "seicht", da weiß ich nicht was du meinst.


    lg
    no name


  • Hallo no name,


    danke für die Antwort. Ja, ob das jetzt wirklich Jhanas im eigentlichen Sinne sind oder andere angenehme Gefühle/Zustände ist mir auch nicht so wichtig. Ich wollte nur zeigen wie man vielleicht Jhana- und Vipassanaarbeit nicht nur in formeller Meditation leisten kann, sondern in gröberer Form vielleicht auch im Alltag. Das zulassen und sich hineinfallen lassen in Freude oder auch ganz oberflachlichen Spaß würde dann der Vorstufe von Jhana entsprechen und das einfache Fühlen des Alltagsdukkha wäre dann sozusagen oberflächliches Vipassana. Das ist nur so eine Idee von mir.
    Und diese Geistesklarheit die du beschreibst ist dann meiner Erfahrung nach auf gröberer Ebene auch die Folge, wenn man mal so richtig Spaß hatte, sich ganz gehen lassen konnte. Ist ja auch so eine Art loslassen. Und dann ist man auch bereiter sich mal die unschönen Dinge bei sich anzusehen.
    Mit dem zu "seicht" hätte ich besser schreiben sollen: "und vielleicht manchen hier zu seicht scheinen". Ich habe das Gefühl dass manche nur formelle meditative Praxis gelten lassen, Spaß scheint für sie ein Fremdwort und sie scheinen sogar Angst davor zu haben. Denen könnte es vielleicht zu seicht sein, wenn ein großer Aspekt der Praxis darin besteht sein Leben freudvoll zu gestalten, zu genießen, loszulassen. Deswegen dachte ich auch, die Sicht die ich hier gerade vertrete, könnte vielleicht auch eine Brücke schlagen zwischen den "Genießern" und den "Kämpfern", denen das alles zu locker und unernst ist.
    Ist halt nur so eine Idee.


    Liebe Grüße

  • Raphy:

    Ich wollte nur zeigen wie man vielleicht Jhana- und Vipassanaarbeit nicht nur in formeller Meditation leisten kann, sondern in gröberer Form vielleicht auch im Alltag.


    Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass sich Vipassana nicht nur auf auf die Phasen der formellen Meditation bezieht. Bei einem Vipassana-Retreat sind die Teilnehmer angehalten, ihre Achtsamkeit den kompletten Tag über, bei allen Tätigkeiten, aufrecht zu erhalten. Diese Form des Achtsamkeits-Trainings lässt sich selbstverständlich auch im Alltag fortsetzen. Bei der Vipassana-Arbeit geht es nicht nur um den Aspekt dukkha, sondern auch um die beiden anderen Daseinsmerkmale Selbst-Losigkeit und Vergänglichkeit.
    Gleiches läßt sich von der samatha-Praxis (Konzentration/Sammlung/Vertiefungen/Jhanas) aber nicht sagen. Diese Form meditativer Praxis ist in der Regel nur im Rahmen formeller Meditation möglich (Ev. Ausnahme:" Flow-Erfahrungen" beim Marathon-Laufen oder ähnliches. Wird aber wahrscheinlich auch dann nur passieren, wenn dabei Einspitzigkeit des Geistes erreicht/geübt wird).


    Onda

  • Onda:
    Raphy:

    Ich wollte nur zeigen wie man vielleicht Jhana- und Vipassanaarbeit nicht nur in formeller Meditation leisten kann, sondern in gröberer Form vielleicht auch im Alltag.


    Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass sich Vipassana nicht nur auf auf die Phasen der formellen Meditation bezieht. Bei einem Vipassana-Retreat sind die Teilnehmer angehalten, ihre Achtsamkeit den kompletten Tag über, bei allen Tätigkeiten, aufrecht zu erhalten. Diese Form des Achtsamkeits-Trainings lässt sich selbstverständlich auch im Alltag fortsetzen. Bei der Vipassana-Arbeit geht es nicht nur um den Aspekt dukkha, sondern auch um die beiden anderen Daseinsmerkmale Selbst-Losigkeit und Vergänglichkeit.
    Gleiches läßt sich von der samatha-Praxis (Konzentration/Sammlung/Vertiefungen/Jhanas) aber nicht sagen. Diese Form meditativer Praxis ist in der Regel nur im Rahmen formeller Meditation möglich (Ev. Ausnahme:" Flow-Erfahrungen" beim Marathon-Laufen oder ähnliches. Wird aber wahrscheinlich auch dann nur passieren, wenn dabei Einspitzigkeit des Geistes erreicht/geübt wird).


    Onda



    Hallo Onda,


    sehe ich auch alles ähnlich wie du. Mir ist halt nur für mich aufgefallen, dass diese beiden Aspekte der Meditation, also Jhana und Vipassana, auch im normalen weltlichen Leben vorkommen. Jhana zum Beispiel ist für mich ein tiefes Loslassen. Und genau dieses Loslassen kann ich auch in ganz normalem weltlichen Spaß oder Freude finden. Auch wenn dieses Loslassen nicht so tief geht wie im Jhana, so hat es doch schon ein wenig den Geschmack.
    Und die ganzen alltäglichen Probleme die bestimmte Gefühle auslösen, wenn man bereit ist diese in den entsprechenden Situationen auch zu fühlen, das ist für mich eine Art vipassana.
    Ich denke was ich hier schreibe ist auch weniger für erfahrene Meditierer interessant, die ihre Praxis schon gut in den Alltag integriert haben, sondern eher für Menschen die Schwierigkeiten mit formaler Meditation haben oder sie nicht gut in den Alltag übertragen können.
    Es kann auch sein, dass ich vollkommen auf dem Holzweg bin und das dies für andere überhaupt nicht praktikabel ist. Aber mir hat es sehr geholfen. Auf diese Weise hat sich Meditation für mich auf natürliche, entspanntere Art entwickelt. Ich habe eher das Gefühl es ist ein natürlicher Teil von mir und nichts aufgesetztes oder künstliches. Aber wie gesagt, ich erhebe nicht den Anspruch das es irgendwem weiterhilft, ich wollte das nur mal als Idee in den Raum stellen.


    Liebe Grüße

  • Hallo Raphy,


    die Praxis anderer ist mir nicht bekannt, ich weiß nicht ob es „Genießer“ oder „Kämpfer“ sind. Ob deren Praxis „seicht“ oder „nur formell“ ist. Ich denke jeder gibt sein Bestes auf seinem Weg. Unsicherheiten oder Zweifel insbesondere über den eigenen Weg als auch über die Praxis anderer sind nicht sonderlich hilfreich. Was Empfehlungen angeht, was für wen praktikabel ist, darüber darf sich jeder selber klar werden. Das gehört mit zum Weg, zur Selbsterforschung, ebenfalls wie ein Lehrer.


    Es gibt so viele Wege wie Pilger. Die Jhanas sind nur Mittel zum Zweck. Über den Zweck sind sich die meisten einig, nur über die Mittel wird doch gern gestritten. Gern auch innerhalb einer „Fraktion“. Die Jhanapraxis ist nicht ganz unumstritten.


    Wie von Dir aufgeführt sorgt die Praxis für gute Gefühle auch im Alltag und schafft eine Bereitschaft sich auch die „unschönen Dinge“ anzuschauen, d.h. es könnte ein ausklammern stattfinden? Was ist mit den neutralen Dingen? Und, wie gehst Du wirklich mit den schönen Dingen um?


    Es geht jedoch um mehr, wie onda das auch angeführt hat. Es geht um Selbstwahrnehmung von Moment zu Moment im inneren und äußeren und um die Betrachtung der drei Wesensmerkmale. Die Entwicklung geht auch hier von der groben zur subtilen Wahrnehmung. Um diese Klarheit zu entwickeln sind die Jhanas eine hervorragendes Mittel wenn Sie genügend Kraft in der formalen Praxis entfalten können. Das ganze ist also ein Übungsweg, in dem immer weiter losgelassen wird um die Jhanafaktoren zu entfalten.


    no name

  • Hallo Raphy,


    ich hab mich schon oft gefragt, was denn nun "Praxis" ist und was nicht. Allgemeinaussagen wie "Alles ist Praxis" mögen vom Dhammastandpunkt aus zutreffen, aber es war ja mein unterscheidender (=verblendeter) Geist, der immer wieder eine Antwort darauf wollte.


    Jhana, wie ich es erlebt habe, war für mich "so nebenbei" defintiv nicht möglich. Tagelange meditative Arbeit und hingebungsvolles Bemühen um Sila war notwendig, um überhaupt erstmal in die angrenzende Sammlung, wie im Vish. oder von Nyanaponika genannt, zu gelangen. Als dann endlich sowas wie die ersten drei Jhanas "erlebt" wurden, war das beim anschließenden Reflektieren darüber schon eindeutig ein anderer Zustand, als der konzentrierte Alltagsgeist. Inzwischen bin ich überzeugt, dass das, was im Zen als Samadhi bezeichnet wird, mit den Jhanas verglichen werden kann. Jedoch sind die Jhanas besser "beschrieben" worden - vom Buddha als auch von den Kommentatoren.


    Interessanterweise sagt man in Japan über jemanden, der ganz konzentriert in eine Tätigkeit ist: "Oh, der ist aber tief im Samadhi!". Und auch wir sagen hierfür: "Jemand ist [in etwas] vertieft".


    Also doch fließende Grenzen? Eine Vermutung wage ich aufzustellen: Vertiefung ist Vertiefung, egal wie sie entsteht - ob beim Betrachten eines Sonnenunterganges, in der Disco oder auf dem Kissen. Der Unterschied ist jedoch, was dabei herauskommt, also worauf die Vertiefungspraxis abzielt. Sie zielt, vom Aspekt der buddhistischen Geistesschulung darauf ab, Weisheit zu entwickeln. Wenn nun beim "Praktizieren" der Vertiefung keinerlei heilsamer Ansporn im Sinne des Achtfachen Pfads vorhanden ist (z.B. wenn jemand jedes Wochenende sich voll ins Abhotten in der Disco "vertieft"), wird es kaum zu etwas führen, das spirituell von echtem Wert wäre. Gesetzt den Fall jedoch, jemand praktiziert sehr regelmäßig Zazen oder eine entsprechende Theravada-Praxis und schult seinen Geist insofern langsam über Jahre hinweg um, kann es vielleicht passieren, dass bei alltäglichen Gelegenheiten vertiefende Zustände eintreten und dieses gerade "aufgrund der Alltäglichkeit" zur Entwicklung von Weisheit führen. Nicht umsonst wird in vielen Klöstern (und das müssen nicht unbedingt Zen-buddhistische sein) Wert auf die alltäglichen Tätigkeiten als Teil der geistigen Entwicklung gelegt. Natürlich meine ich hier nicht unbedingt die Marketing-Aktivitäten der Andechser-Brauerei... ;)


    Ich glaube (!), dass der Buddha die Jhanas als hervorragende Praxis für Mönche und Nonnen wertete und sie entsprechend oft im PK erläutert sind. Doch für uns berufstätige und in der Gesellschaft lebende "Laien" (wenn ich mich überhaupt als Laienbuddhist bezeichnen kann), könnte es schon sinnvoller sein, aufgrund der mit einer jhana-orientierten Lebensweise einhergehenden möglichen Schwierigkeiten, lieber mehr Fokus auf den Achtfachen Pfad insgesamt und eine ausgeglichene Meditationspraxis als - zugegeben unerlässliche Ergänzung - zu legen.


    Grüße an Dich und alle hier im Forum!

  • Ein Hallo und gleich ein *Tafel "god posting" hochheb*


  • Hallo Nitsuke,


    danke für deinen Beitrag. Ja, seine Praxis in den Alltag zu integrieren ist sicher das Entscheidende. Gerade weil in dieser streßigen, lauten und hektischen Zeit alles schnell gehen muß. Im Dharma dagegen, geht es ja genau darum langsamer zu werden, inne zu halten, bewußter zu werden. Wie das jeder genau umsetzt, kann sicher auch unterschiedlich sein.
    Mir zum Beispiel hilft es sehr, einfach alles nicht so ernst zu nehmen, Spaß und Freude zu haben, es mir selbst gut gehen zu lassen, zu genießen. Aber dabei trotzdem bewußt und achtsam im Alltag zu sein, dem ständigen Denken weniger Aufmerksamkeit zu geben, dafür mehr auf die Gefühle und Körperempfindungen zu achten, und mit ihnen meinen Frieden zu machen wenn sie unangenehm sind.


    Liebe Grüße