Insekten töten

  • Eine der fünf Silas lautet, man möge es vermeiden, Lebewesen zu töten (oder zu verletzen). Nun frage ich mich allerdings, wie rigoros diese Regel ausgelegt werden sollte.


    Ein Beispiel: Bei jeder Autofahrt sterben unzählige Insekten. Verstößt man damit nicht bereits gegen diesen Vorsatz, oder gehen diese sozusagen als Kollateralschaden durch, weil man sie ja nicht bewusst und absichtlich tötet?


    Anderes Beispiel: Um diese Jahreszeit beginnt die Stechmücken-Saison. Ist es nicht legitim, eine Stechmücke in meiner Wohnung zu töten, um mir das Leid zu ersparen, dass sie durch ihre Stiche verursacht? Meiner Meinung nach steht das Recht des Menschen auf körperliche Unversehrtheit deutlich über dem Lebensrecht einer Stechmücke.


    Wie seht Ihr das?

  • Arthur1788:

    Meiner Meinung nach steht das Recht des Menschen auf körperliche Unversehrtheit deutlich über dem Lebensrecht einer Stechmücke.


    Wie seht Ihr das?


    Da bin ich entschieden anderer Meinung, obwohl ich gestehe dass mir auch manchmal die Hand auskommt wenn sie es zu arg treiben. Gewöhnlich verwende ich Schutzspray, Räucherungen etwa mit Palisanderholz, ätherisches Zitrusöl, Insektennetze, helle Kleidung oder Schutzkleidung. Weil ich überzeugt bin dass ich kein Recht habe Leben zu beenden wegen einem juckenden Gelsendübbel.
    Leider lässt sich das Töten und Verletzen nicht gänzlich vermeiden, aber so weit wie möglich reduzieren.

  • Ich hab die Tage einen großen Topf mit Riemenblatt-Pflanzen abgeduscht, die hatten eine ganze Menge Blattläuse an den Unterseiten der Blätter.


    Normalerweise habe ich dann eine Schüssel mit Spülmittel hergenommen und damit von allen Blättern die Blattläuse abgewischt.


    Diesmal taten mir die Blattläuse leid und ich habe es beim Abduschen der Pflanzen belassen. Auch weil diese gut und gesund aussehen und eher den Topf zu sprengen drohen.


    Sieht nicht so aus als ob eine der Pflanzen wirklich arg unter den Blattläusen leiden würde - also warum sollte ich diese töten?


    :om:

    Im erwachten Herzen leuchtet jede Farbe. (Jack Kornfield)

  • Also ich meide es auch zu töten, lass alle Insekten aus dem Fenster.. Bei Mücken kann es aber doch sein, dass wenn ich nachts nicht schlafen kann, ich sie platt mache. Mein Mitgefühl endet dann, wenn sie mich nicht schlafen lassen durch das permanente Summen oder den zigsten Stich..

    Den Schmetterling des Zen im Netz des Verstandes zu fangen; machen wir uns das klar, dass das nicht geht

  • Warum bei Insekten aufhören?


    Bei jedem Stuhlgang sterben mehr Kleinstlebewesen der Darmfauna, als ein emsiger Mückenjäger in seinem Leben erschlagen könnte. Wir leben auf einem Beinhaufen, Tod und Verwesung sind fester Bestandteil der Welt.

  • Wir haben zu Hause Fliegengitter. Die sind super praktisch. Seitdem kommen nur noch ganz wenige Insekten ins Haus. Wenn doch dann gibt es den Trick mit der Streichholzschachtel. Dazu braucht man aber etwas Geduld. Kompliziert wird es, wenn meine Frau spät abends, wenn ich müde bin, eine Spinne entdeckt und die sofortige Entfernung aus dem häuslichen Umfeld fordert. Aufgrund der Müdigkeit muss ich meine Achtsamkeit verdoppeln, um sie nicht zu verletzen. Das hat zur Folge, dass ich selbst wieder wach werde und nach verrichteter Tat nur langsam einschlafen kann, während meine Frau, spinnenfrei, schon friedlich vor sich her schlummert. :lol:


    Etwas anderes ist das in Ländern wo Insekten tödliche Krankheiten verursachen können. Da gibt es zwar auch Gegenmittel, die wir auch nutzen, aber zu unserem eigenen Schutz bekenne ich, dass ich in solchen Ländern auch schon mal eine Fliegenklatsche genommen habe ohne Kenntnis wie gefährlich wirklich das Insekt war.

  • mukti:

    Das ist keine Rechtfertigung für unnötiges Töten.


    Die Frage ist doch, wo die Grenze von "unnötigem" zu "nötigem" Töten verläuft. Ich denke da müssen immer Bedürfnisse gegeneinader aufgewogen werden. Ich sehe es nicht ein, eine Stechmücke leben zu lassen, wenn sie mich und andere Menschen um den Schlaf bringt und mit ihren Stichen verletzt. Klar, das sind nur kleine juckende Punkte, aber wird durch diese nicht viel mehr Leid verursacht, als wenn ich das Leben der Mücke kurz und schmerzlos beende? Wenn dann Mücken auch noch Krankheiten übertragen sind wir uns, denke ich, alle einig, dass das Töten gerechtfertigt ist.


    Es scheint auch Konsens zu sein, dass der Vorsatz "Kein Lebewesen zu töten oder zu verletzen" in letzter Konsequenz ohnehin nicht durchzuhalten ist. Damit steht er meiner Wahrnehmung nach in krassem Gegensatz zu den anderen Silas, die selbst für Laien relativ leicht umzusetzen sind.

  • Arthur1788:

    Die Frage ist doch, wo die Grenze von "unnötigem" zu "nötigem" Töten verläuft.


    Diese Grenze gibt es nur in Ausnahmefällen (z.B. die Malariamücke, das nenne ich "Notwehr").
    Notwehr ist es für mich aber nicht, wenn mein Ego einen gesunden Schlaf braucht und ich deshalb ein Wesen Leid zufüge.


    Ansonsten ist es nur die Frage ob man bewusst oder unbewusst tötet.

  • Arthur1788:

    Eine der fünf Silas lautet, man möge es vermeiden, Lebewesen zu töten (oder zu verletzen). Nun frage ich mich allerdings, wie rigoros diese Regel ausgelegt werden sollte.

    Nicht töten, Buddha hat dazu kein Kleingedrucktes formuliert. Wie rigoros du dich daran hältst, ist dann dein Ding. Aber dein Töten buddhistisch begründen wollen, ist doch Mist.

  • Sherab Yönten:


    Diese Grenze gibt es nur in Ausnahmefällen (z.B. die Malariamücke, das nenne ich "Notwehr").
    Notwehr ist es für mich aber nicht, wenn mein Ego einen gesunden Schlaf braucht und ich deshalb ein Wesen Leid zufüge.


    Ansonsten ist es nur die Frage ob man bewusst oder unbewusst tötet.


    Achso, Schlaf ist also auch nur so ein Ego-Ding. Und ich dachte schon der sei wichtig für die Gesundheit oder so. :moon:


    Wenn ich ein paar Kilometer mit dem Auto fahre und unzählige Insekten zerfetze, ist das dann bewusstes oder unbewusstes Töten? Legitim oder nicht?

  • pamokkha:
    Arthur1788:

    Aber dein Töten buddhistisch begründen wollen, ist doch Mist.


    Will ich doch gar nicht, habe nur aus meiner Sicht Fälle aufgezählt in der es mir aus moralischer Sicht (ich definiere mich nicht als "Buddhist") sinnvoller erscheint zu töten als nicht zu töten.


    Man könnte das ganze natürlich auf die Spitze treiben. Es gibt sicher auch (Extrem)-Situationen in denen das Töten eines Menschen moralisch angebrachter ist als das Nicht-Töten.


    Worauf ich hinauswill: Der Grundsatz "Niemals töten" taugt nicht in allen Situationen als Handlungsmaxime. Was uns vermutlich zur alten Unterscheidung zwischen Gesinnungsethik und Verantwortungsethik führt.

  • Arthur1788:

    Die Frage ist doch, wo die Grenze von "unnötigem" zu "nötigem" Töten verläuft. Ich sehe es nicht ein, eine Stechmücke leben zu lassen, wenn sie mich und andere Menschen um den Schlaf bringt und mit ihren Stichen verletzt.


    Unnötig ist es jedenfalls wenn es andere Schutzmaßnahmen gibt, wovon ich weiter oben einige aufgezählt habe. Töten sollte die allerletzte Option sein, wenn es keinen anderen Ausweg mehr gibt und wirklich Gefahr besteht. Es soll aber auch Mönche geben die unter keinen Umständen absichtlich töten würden. Für die Wohnräume sind Netze am Fenster ausreichend, allenfalls gibt es auch ein Netz das man über das Bett hängen kann.

  • Arthur1788:

    Achso, Schlaf ist also auch nur so ein Ego-Ding


    Ja, solange Du Deinen Schlaf wichtiger findest wie das Leben eines Tieres ist es ein Ego Ding.


    Arthur1788:

    Wenn ich ein paar Kilometer mit dem Auto fahre und unzählige Insekten zerfetze, ist das dann bewusstes oder unbewusstes Töten? L


    Für mich wäre das unbewusstes töten. Denn Du beginnst Deine Autofahrt nicht mir der Motivation: "Nun fahre ich mal los, um ein paar Insekten zu töten" - sondern um von A nach B zu kommen.


    Arthur1788:

    Der Grundsatz "Niemals töten" taugt nicht in allen Situationen als Handlungsmaxime.


    Der Buddhismus ist nicht dogmatisch. Auch die buddhistische Ethik nicht.
    Wichtig ist, dass die Ethik Regeln Übungen sind, denn es heißt: "Ich übe mich darin, keine Wesen zu töten!". Das ist etwas anderes wie die Gebote im Christentum: "Du sollst nicht töten!"
    Nichts desto trotz ist man durchaus in der Lage, wenn man ausreichend Mitgefühl für alle Wesen kultiviert, nur in Ausnahmefällen (Notwehr) bewusst zu töten. Das gilt sowohl für Insekten als auch für andere Wesen.

  • Bei Mücken schwanke ich zwischen tot hauen und mich stechen lassen. Dann habe ich halt Mückenstiche. Dann juckt es und ich muss das Jucken auf den Pfad bringen. Oder es juckt auch nicht, weil man seine Antipathie gegen Mücken, die hysterische Selbst-Wichtignehmerei runter gefahren hat.


    Spinnen in der Wohnung sind auch gut gegen Mückenstiche.

  • Turmalin:

    ...
    Spinnen in der Wohnung sind auch gut gegen Mückenstiche.


    Definitiv! Ohne Spinnen wäre die bewohnbare Welt wahrscheinlich von einer dicken Schicht Insekten umgeben und damit für Menschen eine riesige Wüste.


    In Asien, in überwiegend von Buddhisten bewohnten Gebieten sind die Menschen froh, wenn sich in ihren Behausungen kleine Geckos einfinden, die die Insekten und Spinnen in Übermaß verzehren. Beim Umrücken von Schränken ea. wird genau darauf geachtet, daß den Geckos nichts geschieht ;)


    Eine muntere Heuchelei....


    Ich möchte kein Wesen töten, aber ich richte es gern so ein, daß etwas anderes lästige Wesen für mich tötet.


    Ich möchte kein Schlachtvieh töten, aber ich nehme es gern hin, daß andere (nicht buddhistische Chinesen etwa) für mich schlachten.
    Schmeckt trotzdem gut 8)


  • Im Prinzip ist es der sanftere Weg den natürlichen Lauf der Dinge ein wenig zu unterstützen, als selber zu töten, finde ich.


    Kommt auch darauf an welche Probleme man durch Lebewesen bekommt. Abgesehn davon dass manche etwas lästig sein können, gibt es auch immer einen Kampf um die Nahrung, das hat sich bis heute im Prinzip nicht geändert.
    Z.B. sind in meinem Garten Massen von spanischen Wegschnecken, die alles Gemüse im nu verzehren würden. Es gibt aber auch Schnecken namens Tigerschnegel, welche die Wegschnecken und ihr Gelege mit großem Appetit auffressen. Die Schnegel sind mir hochwillkommen, die Wegschnecken trage ich woanders hin, wenn ich sie antreffe.
    Ich freue mich auch über die streunende Katze die nach Wühlmäusen gräbt und wünsche mir sehnlich ein Mauswiesel herbei. Die Katze kriegt vielleicht dann mal ein komfortables Häuschen, die Bussarde einen praktischen Ansitz.


    Man kann dem Ganzen aus dem Wege gehen und das Gemüse am Markt kaufen, dann erledigen andere Menschen die Schädlingsbekämpfung indem sie alle vernichten, inclusive sämtlicher Unbeteiligter, die gerade zur falschen Zeit am falschen Ort sind.

  • fotost:


    Eine muntere Heuchelei....


    Ich möchte kein Wesen töten, aber ich richte es gern so ein, daß etwas anderes lästige Wesen für mich tötet.


    Ich möchte kein Schlachtvieh töten, aber ich nehme es gern hin, daß andere (nicht buddhistische Chinesen etwa) für mich schlachten.
    Schmeckt trotzdem gut 8)


    Danke dass du das ansprichst! Ich frage mich, ob die ganzen Leute, die konsequenten Pazifismus gegen Insekten predigen, eigentlich damit leben können, dass weitaus höher entwickelte Tiere extreme Qualen durchleiden müssen, damit sie täglich ihren egoistischen Fresstrieb befriedigen können. Normalerweise müsste man dann doch davon ausgehen, dass die meisten Buddhisten Frutarier, mindestens aber konsequente Veganer sind. Ist aber nach meiner Erfahrung nicht der Fall.


    Wenn nun jemand argumentiert "Ich darf Fleisch essen, weil ich die Kuh oder das Schwein nicht selbst umbringe, aber darf auf keinen Fall mit eigenen Händen eine Stechmücke töten" ist das doch wirklich nichts anderes als Heuchelei. Oder wie seht Ihr das?

  • Arthur1788:

    Oder wie seht Ihr das?


    Ganz ähnlich, weshalb ich Vegetarier bin und mich in Richtung Vegan entwickle.


    Habe übrigens kein Auto, vor ein paar Tagen bin ich mit dem Fahhrad über eine Schlange gefahren. Da wurde klar dass bei der Entscheidung - entweder Sturz oder Schlange - die Wahl während eines Sekundenbruchteiles spontan auf die eigene Unversehrtheit fällt. Ist aber auch eine verdammt steile Straße die ich da bergab gefahren bin. Ansonsten tut man was man kann, manchmal noch ein bisschen weniger. Ich arbeite daran.


  • Wenn es nur das wäre.. Schuhe aus Leder, Kissen, Decken mit Federn gefüllt.
    Möbel, die nur zusammenhalten, weil überall Leime auf Knorpelbasis drinsteckt. usw. usw. usw.
    Herzklappen vom Schwein, Medikamente und Kosmetika, Haushaltschemikalien, die an Tieren getestet werden.....
    Bei der Ernte des Getreides für die leckeren veganen Brötchen werden Millionen Viecher einfach mitgedroschen


    Mir ist schon klar, daß bei so etwas immer die Gefahr besteht, als boshafter Zyniker rüberzukommen.


    Ich versuche einfach nur ehrlich zu sein. Wir leben in und auf Knochenbergen. Buddha wußte es.
    Das bedeutet sicher nicht, willkürlich diese Berge zu vergrößern.

  • Man kann Samsara nicht ändern. Auch wenn man persönlich darauf verzichtet, Insekten zu töten, wird es immer noch Löwen geben, die Antilopen töten.


    Das ist aber keine Rechtfertigung, um sich genauso wie der Löwe zu verhalten. Dadurch, das wir die kostbare menschliche Existenz erlangt haben, haben wir die Wahl:


    fotost:

    Das bedeutet sicher nicht, willkürlich diese Berge zu vergrößern


    Eben! 8)

  • Sherab Yönten:

    Der Buddhismus ist nicht dogmatisch. Auch die buddhistische Ethik nicht.
    Wichtig ist, dass die Ethik Regeln Übungen sind, denn es heißt: "Ich übe mich darin, keine Wesen zu töten!"...


    Der Buddhismus ist dogmatisch. Auch die buddhistische Ethik.


    Dass es Übungsregeln sind bedeutet nicht: manchmal ist töten unheilsam, manchmal nicht; oder sie wären nicht umfassend und Mücken wären ausgegrenzt etc. Es ist wohl einfach lutherisch gemeint: ihr seid alle kleine Sünder und solange man nicht heilig ist, wird man mal versagen. Das Übertreten der Übungsregeln ist aber immer unheilsam, während der natürliche Ausdruck der Heiligkeit die Vollkommenheit in den Tugenden ist.