Einleitung
Direkt am Anfang seiner Lehrtätigkeit, als er begonnen hat das Rad der Lehre in Gang zu setzen, sprach der Buddha über den mittleren Pfad (majjhima patipada) und die Vermeidung von Extremen. In unserer heutigen westlichen Gesellschaft haben wir jedoch ganz andere Vorstellungen von Extremen als zur Zeit des Buddha. Dies führt dazu, dass versucht wird, den mittleren Pfad neu zu verorten. Was auf den ersten Blick ja auch richtig erscheint. Wenn sich die Extreme ändern, dann ändert sich auch der Ort der Mitte zwischen ihnen.
Begriffe
Askese
Ich verstehe Askese als Einüben (askeín) freiwilliger Enthaltsamkeit. Diese Enthaltsamkeit bezieht sich u.a. auf Schlaf, Nahrung, Sex.
Kasteiung
Hierunter verstehe Züchtigung (castigatio), auch im Sinne von Strafe.
Sinnengenuss
Dies ist die Lebensweise, wie sie die meisten Menschen führen und daher als "normal" betrachtet wird.
Praxis
Gelebte Kasteiung
Hermann Hesse beschreibt dies in seinem Siddhartha recht eindrücklich:
„Er fastete fünfzehn Tage. Er fastete achtundzwanzig Tage. Das Fleisch schwand ihm von Schenkeln und Wangen. Heiße Träume flackerten aus seinen vergrößerten Augen, an seinen dorrenden Fingern wuchsen lang die Nägel und am Kinn der trockne, struppige Bart. Eisig wurde sein Blick, wenn er Weibern begegnete; sein Mund zuckte Verachtung, wenn er durch eine Stadt mit schön gekleideten Menschen ging… Schweigend stand Siddhartha im senkrechten Sonnenbrand, glühend vor Schmerz, glühend vor Durst, und stand, bis er nicht Schmerz noch Durst mehr fühlte“.
Einen Einblick geben denke ich auch die Aghori in Indien:
https://www.youtube.com/watch?v=dYHKB3n8rNk
https://www.youtube.com/watch?v=2boHuXlOwxg
Gelebter Sinnengenuss
Hier noch einmal Hesses Siddhartha:
„Langsam, wie Feuchtigkeit in den absterbenden Baumstrunk dringt, ihn langsam füllt und faulen macht, war Welt und Trägheit in Siddharthas Seele gedrungen, langsam füllte sie seine Seele, machte sie schwer, machte sie müde, schläferte sie ein. Dafür waren seine Sinne lebendig geworden, viel hatten sie gelernt, viel erfahren… Wie ein Schleier, wie ein dünner Nebel senkte sich Müdigkeit über Siddhartha, langsam, jeden Tag ein wenig dichter, jeden Monat ein wenig trüber, jedes Jahr ein wenig schwerer… Siddartha merkte es nicht. Er merkte nur, daß jene helle und sichere Stimme seines Innern, die einst in ihm erwacht war und ihn in seinen glänzenden Zeiten je und je geleitet hatte, schweigsam geworden war. Die Welt hatte ihn eingefangen“.
Gelebte Askese als mittlerer Pfad
Die Mitte zwischen diesen Extremen ist nicht der vegane Großstadthipster oder der fair-einkaufende Vorstadtlangweiler, sondern der buddhistische Mönch insbesondere in Form der theravadischen Waldtradition. Dies war für den Buddha der mittlere Weg. In einem engen Zeitfenster einmal bis zweimal essen, drei einfache Kleidungsstücke, vier Stunden Schlaf usw.
Schluss
Nach meinem Verständnis hat der Buddha also nicht Askese abgelehnt, sondern Kasteiung. Askese als freiwillige Enthaltsamkeit ist vielmehr Buddhas Weg zur Erleuchtung.