Fragen zur Geschichte des Buddhismus im Westen

  • Liebe Forumsteilnehmer!


    In einem Antiquariat habe ich vor kurzem ein verschrammeltes Heftchen entdeckt mit dem Titel: "Durch Licht zum Licht. Buddhistische Mission. Das christliche Barbarentum in Europa" Verlag Wilhelm Friedrich in Leipzig für 50 Pfennig. Schätzungsweise um 1915


    Darin ein "Aufruf an alle Erleuchteten und wahren Jünger des erhabenen Buddha, die noch im tiefsten Abgrund religiöser Unwissenheit versunkenen Barbaren und Heiden des Westens auf dem Weg zur Erlösung zu führen. Von einem Lama"
    Der Name des geheimnisvollen Lama wurde nicht genannt, doch das Vorwort stammt von Franz Hartmann M.D. Mitglied der Theosophischen Gesellschaft in Amerika und Verfasser der "Lotusblüten", einer monatlich erscheinenden Zeitschrift über orientalische Literatur, Religionen des Ostens und der Theosophie.


    Darin wird Theosophie, Esoterik und Glaube an den höchsten Gott mit dem Buddhismus verquirlt. Etwas haarsträubend und es doch, auch aufgrund seines Alters für mich interessant.


    Seitdem interessiert mich die Geschichte der Entdeckung des Buddhismus durch den Westen sehr. Erstaunlich, wie kurz diese Geschichte in Deutschland erst ist. Schopenhauer soll der erste gewesen sein, der sich näher dafür interessierte und er hatte sehr wenige übersetzte Quellen. Noch erstaunlicher für mich heute, war die ursprüngliche Verbindung mit der Theosophischen Gesellschaft von Blavatski und Olcott, deren Thesen eigentlich so wenig mit dem Buddhismus gemein haben und deren Handeln auch gar nicht mit ihm in Einklang stehen. Deswegen grenzten sich die frühen deutschen Buddhisten auch später vehement davon ab. Darüber könnte man ja fast einen Film drehen.


    Hier ein Link zu einem pdf der Uni Hamburg zu dem Thema:
    https://www.buddhismuskunde.un…nwart/bd11-k10muermel.pdf


    Gibt es hier noch mehr Teilnehmer, die sich dafür interessieren und mir evtl. Links oder Buchtipps über die Geschichte des Buddhismus im Westen geben können? Auch über die frühen Indologen und deutschen Mönche in Asien? Oder gibt es dafür sogar ein anderes Forum? Mein Forscherdrang ist erwacht.


    Das würde mich wirklich alles mal interessieren. Danke Euch schon jetzt für jede einzelne Antwort! Herzlichst!
    happygolucky

    • Offizieller Beitrag
    happygolucky:

    Gibt es hier noch mehr Teilnehmer, die sich dafür interessieren und mir evtl. Links oder Buchtipps über die Geschichte des Buddhismus im Westen geben können? Auch über die frühen Indologen und deutschen Mönche in Asien? Oder gibt es dafür sogar ein anderes Forum? Mein Forscherdrang ist erwacht.


    In dem von dir verlinkten Text steht in Fussnote zwei das Buch "Auf den glückseligen Inseln
    Buddhismus in der deutschen Kultur" von Volker Zotz, das sehr gut sein soll.

  • Ja, danke sehr! :) Ich meinte natürlich auch die frühen europäischen buddhistischen Mönche in Asien, nicht die christlichen Missionare.
    Für alle weiteren Hinweise dankbar: happy :D

  • happygolucky:

    Der Name des geheimnisvollen Lama wurde nicht genannt, doch das Vorwort stammt von Franz Hartmann M.D. Mitglied der Theosophischen Gesellschaft in Amerika und Verfasser der "Lotusblüten", einer monatlich erscheinenden Zeitschrift über orientalische Literatur, Religionen des Ostens und der Theosophie.


    Der anonyme Verfasser war sicherlich kein "Lama", sondern es handelt sich dabei wahrscheinlich um Karl Bernhard Seidenstücker, der in der von Dir verlinkten Arbeit eine prominente Rolle spielt.

    happygolucky:

    Gibt es hier noch mehr Teilnehmer, die sich dafür interessieren und mir evtl. Links oder Buchtipps über die Geschichte des Buddhismus im Westen geben können?


    In der genannten Arbeit wird auch auf die Webseiten Alois Payers verwiesen, wo man neben anderem auch viele historische Informationen findet.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Herzlichen Dank an Alle! :like: Damit bin ich erst mal eine Weile beschäftigt. ;)

  • Die ersten europäischen "Buddhisten" kamen meist über die Theosophische Gesellschaft mit dem Buddhismus in Kontakt, da dort erstmalig öffentlich über den Buddhismus ab ca. 1880 bis 1894 beerichtet wurde. Die ersten buddhistischen Gruppen in z.B. Leipzig, München, Hamburg, Berlin usw. bildeten sich meist aus den inoffiziellen Logen der Theosophischen Gesellschaft bzw. die späteren Mitglieder lernten sich dort meist kennen, da nur dort Vorträge über den Buddhismus geführt wurden und entsprechende Literatur vorhanden war. Später wandten sich die neuen Buddhisten aber dann meist von der Theosophie ab und beschäftigten sich nur mit dem Buddhismus. Manche Personen wie z.B. Seidenstücker und Christmas Humphreys verleugneten dann auch ihre theosophischen Wurzeln.



    Zitat

    1904 zog Karl Seidenstücker in die Inselstraße 23, einem theosophischen Sammelbecken in Leipzig. Sein direkter Etagennachbar war Hans Fändrich , der spätestens ab 1905 sowohl den Buddhistischen Verlag als auch die Theosophische Centralbuchhandlung betrieb. Ebenfalls nahe wohnten Arthur Weber und Anton Hartmann, die durch theosophische Veröffentlichungen bekannt wurden.
    Karl Seidenstücker übersetzte zunächst buddhistische Bücher aus dem Englischen für den Theosophischen Verlag von Dr. Hugo Vollrath in Leipzig. Zumindest ein Teil der dort erschienenen anonymen Propaganda-Schriften dürfte von Seidenstücker bearbeitet worden sein, es erübrigt sich jedoch diesen nachzuforschen. Zu den nicht-anonymen Werken gehört die Übersetzung von "Mahâyâna", das S. Kuroda aus der Jôdo-Gemeinschaft der japanischen Missions-Gesellschaft Bukkyo-Gakkuwai 1893 anläßlich des Weltparlaments der Religionen verfaßt hatte.


    http://www.payer.de/steinke/steink02.htm


    Buddhistische Mission : das »christliche« Barbarentum in Europa. Anonym (Von Einem Lama) verm. Karl Bernhard Seidenstücker Pseud.: Bruno Freydank
    https://www.abebooks.com/servl…7aH4beWxB_item_1_60-_-bdp


    Zitat

    Als Olcott und Blavatsky im Mai 1880 auf Ceylon ankamen, glich dies einer Sensation. Waren sie doch die ersten westlichen Personen, die gegen die christliche- und für die buddhistische Religion eintraten. Als beide dann noch zum Buddhismus übertraten, war die psychologische Wirkung enorm und entfachte große Begeisterung im Land. Die Ende Mai 1880 ins Leben gerufene Theosophical Society of Ceylon, vertrat dann auch nur am Rande die theosophischen Lehren und wies größtenteils buddhistische Züge auf. Von Olcott organisiert, fungierte sie bald als Speerspitze des wiedererstarkenden Buddhismus und diente als Sammelbecken der zerstreuten buddhistischen Aktivisten. Nach moderner Terminologie stellte Olcott dadurch eine organisatorische und logistische Plattform zur Verfügung, welche innerhalb weniger Jahre den am Boden liegenden Buddhismus zu einer schlagkräftigen und dynamischen Kraft erstarken ließ. Olcott kopierte die seit Jahrhunderten erfolgreichen christlichen Missionierungsmethoden und gründete Schulen, darunter das Dharmaraja College, Nalanda College, Visakha Vidyalaya und Ananda College, letztere hat heute (2006) rund 6000 Studenten und zählt zu den größten buddhistischen Hochschulen Asiens. Bis zum Jahre 1910 entstanden auf diese Art 445 theosophisch/buddhistische Schulen auf Ceylon (gegenüber 436 katholischen und 891 protestantischen Schulen im Land). Ebenso wurden Tempel erneuert, buddhistische Traditionen gefördert und über Spendenaufrufe finanzieller Spielraum geschaffen. Insgesamt besuchte Olcott mehr als 40-mal Ceylon und verbrachte in Summe über 2 Jahre dort mit der Förderung des Buddhismus.


    1876 organisierte Olcott die erste öffentliche Feuerbestattung in den USA. Am 24. Juli 1881 brachte er sein Werk Der buddhistische Katechismus heraus. Dieser löste weltweites Aufsehen aus, wurde in mehr als 20 Sprachen übersetzt und erlebte zum Teil über 40 Auflagen. Auch wenn das Buch später wegen einiger theosophischer Einfärbungen und Fehlern kritisiert wurde, war es einer der wichtigsten Impulse der buddhistischen Erneuerung und fand jahrelang als Lehrbuch an Schulen Verwendung. 1884 setzte Olcott bei Edward Henry Stanley, dem Leiter des Kolonialamtes in London, durch, dass die Verpflichtung zur christlichen Eheschließung abgeschafft wurde. Ebenso erreichte er die Anerkennung das Vesakh-Festes als offizieller Feiertag. 1885 entwarf er zusammen mit Bhikkhu Sumangala die Internationale Buddhistische Flagge, als Zeichen der Einheit des Buddhismus. 1890 gelang Olcott die Organisation einer gemeinsamen Konferenz von Buddhisten aus Birma, China, Japan, Indien und Sri Lanka in Adyar. 1891 versuchte er durch die Fundamental Buddhistic Beliefs (= Fundamentale buddhistische Glaubenssätze), einer Sammlung von 14 Thesen, eine gemeinsame Grundlage aller buddhistischen Richtungen zu schaffen.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Henry_Steel_Olcott



    Zitat

    Der Buddhistische Katechismus des Amerikaners Henry Steel Olcott erschien 1887 erstmals in deutscher Sprache in der Übersetzung von Dr. Erich Bischoff in Leipzig. Kurz darauf, nämlich 1888, brachte Friedrich Zimmermann seinen Buddhistischen Katechismus in Braunschweig heraus, mit dem Postulat, den Ansprüchen Erwachsener und der Europäer besser gerecht zu werden als der Olcott'sche Katechismus.


    Tatsächlich waren die ersten singhalesischen und englischen Auflagen (Buddhist Catechism, 1881) für Schüler in ceylonesischen Schulen gedacht, um dem Verfall des Buddhismus unter der englischen Kolonialherrschaft Einhalt zu gebieten. Die 33. Ausgabe (englisch) 1897 bemüht sich durch die Aufnahme einer ganzen Reihe von neuen Fragen und Antworten, ein höheres Niveau zu bieten. Auf dieser Grundlage erscheint die von Bischoff 1902 herausgegebene 35. Ausgabe (deutsch), die neben 386 Fragen und Antworten auch Anmerkungen des Übersetzers, ein Glossar und ein Literaturverzeichnis enthält.


    Bemerkenswert ist auch der Anhang von 14 Buddhistischen Glaubensgrundsätzen, die im Januar 1891 auf einer von Olcott organisierten Buddhistenkonferenz in seinem indischen Domizil Adyar (in Madras) gemeinsam unterzeichnet wurden. Neben den Vertretern des südlichen Buddhismus von Ceylon (heute: Sri Lanka), Burma (heute: Myanmar) und Chittagong (heute Teil von Bangladesch) waren dabei auch Vertreter aller großen japanischen Lehrrichtungen (Tendai, Shingon, Zen, Reines Land und Nichiren-Buddhismus) vertreten.


    https://de.wikipedia.org/wiki/…scher_Katechismus_(Olcott)


    Zitat

    Die Buddhist Society (Buddhistische Gesellschaft) ist eine buddhistische Organisation mit Sitz in London. Sie wurde 1924 von Christmas Humphreys als Loge der Theosophischen Gesellschaft Adyar (Adyar-TG) gegründet und 1926 unabhängig.


    https://de.wikipedia.org/wiki/Buddhist_Society

  • Eine der ersten Schriften über den Buddhismus in Deutsch stammt wohl von Isaak Jakob Schmidt, der sich schon ca. 1820 mit Tibet, Mongolen, Kalmücken usw. beschäftigte.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Isaak_Jakob_Schmidt

    Eine Einführung in die Geschichte des Buddhismus in Deutschland
    http://www.zentrum-oekumene.de…/Gesch.Dt.Buddh.Essay.pdf


    Zur Geschichte des Buddhismus im deutschsprachigen Raum.
    http://www.buddha-dhamma.de/geschichte.htm


    Helmut Klar. Zeitzeuge zur Geschichte des Buddhismus in Deutschland
    http://kops.uni-konstanz.de/bi…ge_KOPS588.pdf?sequence=1


    Der Buddhismus im Abendland.
    https://digilib.phil.muni.cz/b…3-1995-1_4.pdf?sequence=1


    In einigen älteren Missionsberichten von christlichen Missionaren finden sich manchmal auch Beschreibungen zu buddhistischen Themen. Diese sind aber natürlich sehr einseitig und meist abwertend beschrieben.
    https://de.wikipedia.org/wiki/Chinamission
    https://de.wikipedia.org/wiki/Christliche_Mission_in_Indien

  • Uiiih! Danke sehr verrückter-narr, für Deine Links. Das hilft mir auch weiter. :like:


    Hat jemand von Euch diesen "Buddhistischen Katechismus", der damals so beliebt war einmal gelesen?
    Ich frage mich, ob ich das Büchlein antiquarisch suchen und bestellen sollte.


    Ich werde mich noch ein bisschen weiter einlesen und dann das Thema gerne noch mal aufgreifen. Da gibt es noch viele spannende Aspekte für mich.


    Herzlichen Dank an Euch von happygolucky

  • ja, ich habe den Katechismus von Olcott und auch den Gegenentwurf von Subhadra Bickshu, dem Pseudonym von Friedrich Zimmermann, https://de.wikipedia.org/wiki/Buddhistischer_Katechismus
    vor etlichen Jahren auch gelesen. Das Buch versucht in einfacher Art und Weise die grundlegenden Lehren des Buddha aus Sicht des Theravada zu erklären. Ursprünglich war es ja auch nur als Schulbuch gedacht, um den ceylonesischen Schülern den Buddhismus, ihre Einheimissche Religion, zu erklären.
    Das Werk von Zimmermann trägt zwar den selben Titel und hat einen ähnlichen Inhalt, aber manchmal gibt es eine unterschiedliche Erklärung.
    Das Werk von Olcott gibt es auch im Web:
    http://d-nb.info/985584114/34


    Hier das Werk von Zimmermann:
    https://archive.org/stream/bud…scherk00bhicgoog_djvu.txt

  • :like::grinsen::):hug::heart:


    1000 Dank!. Je mehr man liest, desto weniger scheint man zu wissen. Ich les trotzdem weiter! :kiss:


    Herzliche Grüsse!

  • Nur noch mal eine Rückmeldung zu:


    void:

    In dem von dir verlinkten Text steht in Fussnote zwei das Buch "Auf den glückseligen Inseln
    Buddhismus in der deutschen Kultur" von Volker Zotz, das sehr gut sein soll.


    https://www.amazon.de/glückseligen-Inseln-Buddhismus-deutschen-Kultur/dp/3896201514


    Das war tatsächlich eine echte Empfehlung! Ein Buch, das alle meine Fragen zur Geschichte des Buddhismus in Deutschland (und z.T. Europa) erstmal beantwortet hat und sogar noch mehr. Ich hatte vorher noch niemals etwas von Volker Zotz gelesen und bin begeistert über diese philosophie- und literaturgeschichtliche Arbeit.
    Warum die deutschen Romantiker sich für den Buddhismus interessierten, was die Orientfahrer nach Asien trieb, warum es zeitweise in Deutschland mehr Sanskritlehrstühle als in Indien gab, welche bekannten Philosophen sich mit der Lehre des Buddhas auseinandergesetzt haben, welche Rolle die theosophische Gesellschaft bei der europäischen Entdeckung des Buddhismus spielte, warum Wagner eine Buddha Oper schreiben wollte, warum sich die Nazis für den Buddhismus interessierten und wie sie letztlich damit umgingen, wie Nayanatiloka und Nyanaponika im 2. Weltkrieg gelebt haben, wie deutschsprachige Schriftsteller, z.B. Hesse, Brecht, Döblin und Rilke über den Buddhismus schrieben. Das Buch ist ein richtiger Augenöffner und auch ein wertvoller Steinbruch für ein ewiges Weiterlesen.
    Jedem, der sich dafür interessiert, sei es von mir ans Herz gelegt. :)