Zuletzt hatten wir hier Threads über Scheingemeinsamkeiten (http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=1&t=15835) und Nirvana und Buddhaschaft (http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=14&t=15836). Aus diesem letzten Thread will ich einen Punkt des verrückten Narren aufgreifen:
verrückter-narr:wobei dann das bewusstsein ins para-nibbana eintritt (http://www.buddhaland.de/viewtopic.php?f=14&t=15836#p330176).
Der Dalai Lama bespricht diesen Punkt auch in seiner Einführung in den Buddhismus erschienen in Herder/Spektrum.
Zitat„Nach der Schule der Großen Ausführlichen Erläuterung ist es allerdings so, daß das Bewußtseinskontinuum des Buddha zu Ende ging, als er (bei seinem Tod) in das Große Nirvana eintrat. Nagarjuna widerlegt diese Position argumentativ, indem er zeigt (daß sie zu absurden Konsequenzen führt): Wenn die Anhänger dieser Schule meinen, Nirvana sei der Abbruch des Kontinuums der körperlichen und geistigen Aggregate der Person, so müßte daraus folgen, daß es in dem Moment, in dem Nirvana verwirklicht wird, keine Person mehr gibt, die es verwirklicht und umgekehrt, daß es kein Nirvana geben kann, solange die Person existiert. Daraus müßte man den absurden Schluß ziehen, daß es für eine Person unmöglich ist, Nirvana zu erreichen. Aus diesem Grund definiert Nagarjuna Nirvana anders. Der wesentliche Punkt ist hier, daß das Kontinuum des Geistes niemals endet“ (S. 50-51).
Es scheint so, als ob hier ein gegensätzlicher Weg zu Buddhaghosa gewählt wird:
Zitat„Bloß Leiden gibt es, doch kein Leidender ist da.
Bloß Taten gibt es, doch kein Täter findet sich.
Erlösung gibt es, doch nicht den erlösten Mann.
Den Pfad gibt es, doch keinen Wand'rer sieht man da“ (http://www.palikanon.com/visuddhi/vis16_02.htm#vis_xvi13).
Der Dalai Lama führt diesen Punkt noch weiter aus und macht deutlich, dass es sich bei der Schulen der Großen Ausführlichen Erläuterung um eine Hinayana-Schule aus den unteren Systemen handelt.
Zitat„Nach diesen unteren Systemen hörte das Kontinuum der körperlichen und geistigen Aggregate des Buddha auf, als er das Nirvana ohne Überreste – das Große Parinirvana – verwirklichte. Nach ihrer Ansicht war der Geist des Buddha zu diesem Zeitpunkt einerseits vollkommen erleuchtet, aber andererseits völlig erloschen. Er war nicht länger Bewußtsein. Man möchte meinen, daß eine solche Lehrmeinung zu Mutlosigkeit beiträgt; mir erscheint es sehr viel erstrebenswerter, ein lebendiges Bewußtsein zu haben, als vollständig zu verlöschen. Doch ist dies die Erklärung entsprechend der Lehrmeinungssysteme der Hörer“ (S. 68).
Auf den ersten Blick wirkt die Meinung des Dalai Lama, wie die Fessel (samyojana) vom Begehren nach dem Unkörperlichen (arūpa-rāga).
Meinen Punkt mit dem ich weiterarbeiten will, um zu schauen, was das möglicherweise impliziert, fasst der Dalai Lama hier zusammen:
Zitat„Dabei ist die Unterscheidung wichtig, daß die Entität dieses Körpers unbeständig ist, sein [Geist-]Kontinuum aber unvergänglich“ (S. 69).
Die Erkenntnis des Stromeintritts wird standardmäßig wie folgt beschrieben: „Wenn irgendetwas als seine Eigenschaft das Entstehen hat, all das hat als seine Eigenschaft die Vergänglichkeit“. Und alles was vergänglich ist, ist leidhaft.
Aus dem Diktum des Dalai Lama leiten sich für mich zwei mögliche Schlüsse ab:
(a) Das Geistkontinuum ist entstanden und daher vergänglich. Daraus folgt, dass das Nirvana mit Leidhaftem vermischt ist oder
(b) das Geistkontinuum ist nicht entstanden und daher auch nicht vergänglich und leidhaft. Dann ist es aber Atman.
Eine dritte Möglichkeit wäre, die Aussage des Buddha zu negieren bezüglich der Vergänglichkeit und Leidhaftigkeit alles Entstandenem.
Wie wird das in Mahayana-Schulen diskutiert?
Dieses andere Verständnis von Nirvana führt auch zu einem anderen Verständnis der ersten edlen Wahrheit vom Leiden. Denn in den frühbuddhistischen Texten wird vom Buddha übermittelt, dass jede Form von Existenz (bhava) Leiden ist. Da wo Geist/Bewusstsein ist, ist auch Existenz und damit Leiden.
Eine weitere Konsequenz aus dem Nirvana mit Bewusstsein ist, dass es dann nicht mehr nur vergangene Buddhas gibt, sondern weitere gegenwärtige Buddhas. Und damit sind weitere und andere Buddhadhamma möglich.
Für Ähnliches ist scheinbar auch die thailändische Waldtradition anfällig.