Rationalität und Gefühl

  • Ein wichtiger Bestandteil der Verhaltensanalyse, der für mich eine Brücke zwischen dem Begriff von Gefühl und der "Rationalität" (Stero) bzw. Achtsamkeit (Buddhismus) schlägt, ist die Annahme, dass


    Gefühl und Emotion zwei unterschiedliche Phänomene sind.


    Gefühl und Wahrnehmung als ein unzertrennlicher Akt der geistigen Aktivität bestehen in Abgrenzung von - nehmen wir als Beispiel Wut - störenden Emotionen, die nur in Verbindung mit der falschen Vorstellung von 'Ich/getrennt von etwas' auftreten.


    Achtsamkeit würde das mit der Wahrnehmung verbundene Gefühl auf ein reines Gefühl, ohne störende Emotion, reduzieren. Dabei spielen sicher auch Instinkte eine Rolle, die man ebenso von emotionalen Hintergründen trennen sollte.


    Beispiel:


    Fasse ich etwas heißes an, ziehe ich (bzw. mein Körper) automatisch die Hand zurück. Sehe ich vor mir einen Tiger, reagiert zunächst ein Teil des Gehirns, der für Reaktionen außerhalb der ankonditionierten Mechanismen zuständig ist, und ich werde entweder davon rennen oder für einen Kampf bereit bzw. eventuell auch für gutes Zureden offen sein (Letzteres gelingt öfter dem Andreas Kieling, sollte er für jemanden ein Begriff sein - Scherz.)


    Wichtig dabei ist, dass die körperliche Reaktion anhand der Ausschüttung vom Stresshormonen nicht zwingend eine störende Emotion hervorrufen muss, sondern im Gegenteil - ohne Furcht oder Wut habe ich einen 'klaren Kopf' und kann die instinktive Reaktion durch keine irrationale Handlungen überlagern. Interessant dabei ist auch eine Tatsache, die durch Forschung bekannt wurde: Attrappen, die der Körperform von Fressfeinden einer bestimmter Tierart ähneln (z. B. einer Schlange), die in dem Gebiet bereits seit vielen Generationen der beobachteten Tierart nicht mehr vorkommen, lösen bei den Tieren eine instinktive Fluchtreaktion auf. Das bedeutet, dass Umweltgefahren und angemessene Reaktionsweisen genetisch weiter gegeben werden und unser Gehirn in bestimmten Situation 'richtig' reagiert insofern wir diesen Vorgang durch emotionale Reaktionen nicht stören.


    Von einem reinen, durch Emotionen nicht überlagerten Gefühl leitet sich auch das Mitgefühl ab.


    Beispiel:


    Wenn uns jemand leid tut, der gerade Schmerzen hat, können zwei unterschiedliche Motivationen ursächlich sein. Entweder die Ich-gebundene-Emotion, d. h. man stellt sich (läuft oft 'unbewusst' ab) vor, dass man selbst die beim anderen beobachteten Schmerzen erleben könnte, bekommt Angst, ist bestürzt, möglicher weise auch empört (über die Möglichkeit Schmerzen zu haben oder über den vermeintlichen Verursacher) und reagiert emotional: hat Mit-Leid. Handelt es sich dagegen um ein reines Gefühl der Anteilnahme (verbunden mit Hilfsbereitschaft), spricht man vom Mit-Gefühl.

  • Natürlich ist ein Gespür für Vorgänge in einem selber und Einfühlsamkeit dabei sehr wichtig. Die Verdrängung von Gefühlen ist ein ebenso großes Hindernis wie unreflektiertes Ausagieren von Emotionen. Kalkulierendes Denken überschattet Empathie und Sensitivität. Aber du bekommst niemanden davon weg, der sich schon darauf verlegt & versteift hat. Dieser muss erst eine Notdurft spüren die er nicht wegrationalisieren kann.

  • Die Verdrängung der Gefühle scheint die Hauptursache für emotionale Verfehlungen zu sein, und allem zugrunde liegt die Unwissenheit. D. h. wenn man nichts davon weiß, dass das alles auch anders funktionieren kann, wie will man den selbst einen richtigen Weg finden? Das gibt es sicher sehr selten. Hier von Nyanaponika:


    Zitat

    «Ein Körper ist da», «Gefühle sind da» (usw.) aber kein beharrendes Ich, keine ewige Seele, denen Körper, Gefühl usw. «gehören» oder mit denen sie identifizierbar sind. Dies zeigt den Wert dieser Übungsweisen für die Wirklichkeitserkenntnis, d.h. für den befreienden Klarblick, dessen Kernstück die unmittelbare Einsicht in die Ichlosigkeit (anattā) ist.


    «Unabhängig lebt er, und an nichts in der Welt ist er angehangen.» Dies bezieht sich, dem Kommentar zufolge, auf zwei «Abhängigkeiten» (vergl. nissaya) des Menschen, nämlich seine Abhängigkeit von Ansichten und Meinungen (ditthi) und vom Begehren (tanhā); d.i. von der Bindung durch Nichtwissen und intellektuellen Irrtum sowie die Fesselung durch Triebe, Leidenschaften und Emotionen. Dieser Passus verheißt also als Ergebnis der Übung die unverlierbare Freiheit des Hanglosen und innerlich Unabhängigen.


    http://www.palikanon.com/diver…patthana/satipatt_04.html

  • yofi:

    Zitat

    Die Verdrängung der Gefühle scheint die Hauptursache für emotionale Verfehlungen zu sein


    Das weiß ich gar nicht...vielleicht wenn sich unterdrückte Energie spontan entlädt ? Gewissermaßen ignorieren aber alle Menschen "ungewollte" Gefühle und auch Vorstellungen, - würde ich sagen, nur, wo das pathologisch wird - Verdrängung - stünde auf einem anderen Blatt. Was da nun versucht wird auszublenden, scheint mir u.a. auch von der moralischen Einstellung, kulturellen Prägung oder auch von der Erziehung abzuhängen. Der [ rechte] spirituelle Weg verlangt auf jeden Fall Reintegration.

  • Morpho:

    yofi:

    Zitat

    Die Verdrängung der Gefühle scheint die Hauptursache für emotionale Verfehlungen zu sein.


    Das weiß ich gar nicht...vielleicht wenn sich unterdrückte Energie spontan entlädt ?


    Ja ja, das würde ich auch so sagen. Wie Steine in einen Bach gelegt. Der Fluss ist abgeschwächt, es entstehen Verästelungen und Staus. Man ist nicht mehr man selbst, sondern passt sich den Hindernissen an, nimmt eine Rolle in seinem Leben an.


    Gefühle sind laut der Lehre nur dreifacher Art. Freudig, schmerzhaft, neutral. Wir halten sie fälschlicher weise für die Wahrheit. Sie sind für uns das reale Leben, das emotional verarbeitet wird.

  • Der Punkt 'Mitgefühl' wurde ja schon genannt. Ich nehme mir die Freiheit, dies mit 'brahmavihara' zu ersetzen, denn Mitgefühl tritt ja - zumindest, wenn ich meiner Erfahrung trauen darf - nicht getrennt auf, sondern vereint mit 'Mitfreude'. Man kann zumindest dies auch noch unter Empathie zusammenfassen, aber es treten ja noch 'Gleichmut' und 'Liebe' hinzu. Mit ist bewusst, dass diese Gefühle in bestimmten Übungen getrennt 'trainiert' werden, doch für mich handelt es sich einfach um ein 'Schillern' oder Oszillieren einer 'Gefühlshaltung'. Man kann diese Gefühlshaltung natürlich ebenfalls im Kontext einer ungetrennten und kontinuierlichen Praxis ('Übung') trainieren - aber ich (und andere, wenn ich deren Aussagen trauen darf) erfahre es zunehmend als das Einnehmen einer einzigen, 'natürlichen' Haltung - bzw. als Rückkehr zu ihr.


    Grundsätzlich erscheint dies - zunächst - als Dualismus; genauer: als Reiz-Reaktions-Dualismus. Wobei ich mich auch nicht scheue, diesen Dualismus als bloßen 'Mechanismus' zu bezeichnen. Das Beharrungsvermögen von Haltungen - und am Grunde dieser Haltung liegt natürlich die Unterscheidung Ich / Nicht-Ich - kann man 'Karma' nennen. Es ist die Art, wie Ich mit Nicht-Ich umgeht - wie es es gestaltet, wie seine samskara funktionieren. Ein 'Mechanismus' wäre allerdings fatal - denn ohne ein Moment der Freiheit wäre dann jeder 'Ausbruchsversuch' als bloßer Teil des Mechanismus zum Scheitern verurteilt. Woher aber diese Freiheit nehmen?


    Ich denke, wir finden sie im Einnehmen dessen, was ich an oben anknüpfend brahmavihara-Haltung nenne, und der Erfahrung ihrer Heilsamkeit. Auch hier finden wir eine Dualität - heilsame Reaktion und unheilsame Reaktion (kusaladharma und akusaladharma). Denn der Reiz-Reaktions-Mechanismus wird ja aus buddhistischer Sicht - das wollen wir nicht vergessen - als duhkhata qualifiziert und auf dem Dualismus leidhaft / nicht-leidhaft beruht ja auch jede Bewertung heilsam / nicht-heilsam. Mehr noch - 'leidhaft' ist selbst die Benennung einer Gefühlshaltung und 'heilsam' natürlich ebenso. Nur beruht dies auf einer rationalen Analyse, womit nun auch die Rationalität ins Spiel käme. Diesen Teil der Praxis (Reiz-Reaktion) kann man bei einer Aufspaltung der Praxis in acht Aspekte samyagdrsti und samyaksamkalpa nennen. Rationale Analyse und rationale Schlussfolgerung aus der Analyse ist Prajna, das als vereinheitlichte Praxis mit der Sila-Praxis der Gefühlshaltung der brahmavihara verschmilzt. Das eine ist Korrektur emotionaler Fehlhaltung, das andere Korrektur kognitiver Fehlhaltung doch sind beides nur einander bedingende Aspekte einer unheilsam-leidhaften Fehlhaltung, die ohne samyaksmrti und samyaksamadhi nicht zu erkennen und zu überwinden sind. Diese vereinheitlichte Praxis des Buddhadharma betreibt man nicht dann und wann auf dem Sitzkissen (wo sie allenfalls ihr Zentrum, ihren 'Ruhepunkt' findet) sondern ohne Unterbrechung. Es ist die aktive Veränderung des Reiz-Reaktions-Mechanismus, denn durch Veränderung der Reaktion ändert sich auch der Reiz. Je perfekter die Reaktion sich dem Reiz durch Einnehmen der richtigen 'Haltung' anpasst, um so mehr verschwinden Reiz und Reaktion. Das Potential alles Seienden, diese Haltung einzunehmen und durch diese vollkommene Anpassung den Dualismus Reiz-Reaktion und mit ihnen sämliche daraus folgenden Dualismen aufzuheben, nenne ich - mangels eines anderen Ausdrucks und um die zu ehren, denen ich in dieser Erkenntnis und in dieser Praxis folge, 'Buddhanatur'.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Zitat

    und auf dem Dualismus leidhaft / nicht-leidhaft beruht ja auch jede Bewertung heilsam / nicht-heilsam.


    Nein, diese an sich bewertungsfreie "Einteilung" "beruht" tatsächlich auf dem sg. [ unverschleierten, non dualen ] Erkenntnisblick, dieser besitzt aber die Qualität 'unterscheidende Weisheit'


    Zitat

    Rationale Analyse und rationale Schlussfolgerung aus der Analyse ist Prajna


    Anders als andere Erkenntnisformen [ durch eigenes Nachdenken gewonnen, durch Hören gewonnen ] wird Prajna [ Weisheit ] in der Lehre und von Meistern nicht dem "weltlichen" Verständnis, zum Beispiel einer sg. Rationalität zugerechnet. Das mag im westlichen Verständnis von "Weisheit" anders sein.

  • Sudhana:

    Das Potential alles Seienden, diese Haltung einzunehmen und durch diese vollkommene Anpassung den Dualismus Reiz-Reaktion und mit ihnen sämliche daraus folgenden Dualismen aufzuheben, nenne ich - mangels eines anderen Ausdrucks und um die zu ehren, denen ich in dieser Erkenntnis und in dieser Praxis folge, 'Buddhanatur'.


    Was durch die Tatsache das diesen "Potential" wohl nicht einmal potential,
    geschweige real ist, eine solche Natur tatsächlich natürlich auch nirgends
    real vorhanden und damit ein reines Konstrukt bleibt wie das sog. Selbst.

  • Morpho:
    Zitat

    und auf dem Dualismus leidhaft / nicht-leidhaft beruht ja auch jede Bewertung heilsam / nicht-heilsam.


    Nein, diese an sich bewertungsfreie "Einteilung" "beruht" tatsächlich auf dem sg. [ unverschleierten, non dualen ] Erkenntnisblick, dieser besitzt aber die Qualität 'unterscheidende Weisheit'


    Es dürfte beides richtig sein, in A.V. ist allerdings Leidhaft/nicht-leidhaft als Sittenreinheit definiert (falls so gemeint), was aber im Grunde das Gleiche ist, denn sittenrein handelt man dann, wenn man kein Leid verursacht. Die anfangs dualistische Unterscheidung wandelt sich in Hellblick



    Hier steht Sittlichkeit als Vorstufe des Erkenntnisblicks in Hinsicht auf Pfad und Nicht-Pfad (maggāmagga-ñānadassana-visuddhi)
    http://www.palikanon.com/wtb/visuddhi.html


    Yofi

  • Zitat

    Es dürfte beides richtig sein, in A.V.

    (?)


    Zitat

    ist allerdings Leidhaft/nicht-leidhaft als Sittenreinheit definiert (falls so gemeint),
    was aber im Grunde das Gleiche ist, denn sittenrein handelt man dann, wenn man kein Leid verursacht.


    ...nicht absichtlich Leid verursacht. Aber Tugend bezieht sich nicht ausschließlich auf liebeveolle Güte, auch auf Abgeschiedenheit des Geistes [Entsagung ], das nicht-anhangen, relative Besitzlosigkeit...


    Zitat

    Die anfangs dualistische Unterscheidung wandelt sich in Hellblick


    Das ist eine "relative" Denkweise. Eine dualistische (konventionelle ) Unterscheidung von Heilsam und Unheilsam, Leidhaft und Leidlos, kann nicht vollkommen [samma] "makellos" sein; das Verständnis stammt hier auch aus Hörerwissen, auch das des Bodhisattva, nur das des ( künftigen) Samma Sambuddha nicht. Und 'unterscheidende Weisheit' [Prajna] ist non-dual.


    Eine "rationale Analyse" kann nicht vervollkommnet werden, auch nicht die "Kontemplation", so dass sie sich zu Prajna "wandeln" könnte.


    Diese Ansicht stammt vielleicht daher, dass Buddha seine Gedanken/Absichten in Heilsam und Unheilsam teilte, das Heilsame förderte und sich dem Unheilsamen enthielt. Aber man legte hier dann den Schwerpunkt auf sein "Verständnis", und meinte, aha, das muss also "entwickelt werden". Es war aber die Tugend, die ihn dazu anhielt. 'Tugend' kann sich daher vervollkommnen, allerdings nicht wenn das Wesen am wörtlichen Regelwerk hängt, nicht durch Tugendhaftigkeit, sozusagen


    Um mal einen Bogen zum Thema schlagen: Der sg. IQ ist unwesentlich für das Betreten des WEGES, aber nicht der sg. EQ.

  • Sudhana:

    ... Je perfekter die Reaktion sich dem Reiz durch Einnehmen der richtigen 'Haltung' anpasst, um so mehr verschwinden Reiz und Reaktion. Das Potential alles Seienden, diese Haltung einzunehmen und durch diese vollkommene Anpassung den Dualismus Reiz-Reaktion und mit ihnen sämliche daraus folgenden Dualismen aufzuheben, nenne ich - mangels eines anderen Ausdrucks und um die zu ehren, denen ich in dieser Erkenntnis und in dieser Praxis folge, 'Buddhanatur'.


    Toll ausgeführt, aber was verstehst du unter einer solchen perfekten Anpassung, die alle Dualismen aufhebt? Als "richtige" Haltung gegenüber einer "unheilsam-leidhaften Fehlhaltung" abgegrenzt klingt das in meinen Ohren nicht weniger dualitär als z.B. die Unterscheidung zwischen störenden Emotionen auf der einen und instiktiven Reaktionen auf der anderen Seite. Ich frage mich schon ernsthaft, ob unsere dualitären Erklärungsversuche auch nur im Geringsten dazu beitragen, in einen Zustand einzutreten, in dem - wie du es nennst - alle Dualismen aufgehoben sind (ganz zu schweigen davon, dass dual und nondual natürlich auch einen Dualismus bezeichnen).


    @ Morpho: Du kannst 'Unterscheidende Weisheit' natürlich per Definition als nondual beschreiben; doch schon der Begriff 'Unterscheidung' evoziert mindestens eine dreifache Dualität: Die Zweiheit der voneinander unterschiedenen Inhalte, die Zweiheit zwischen den unterschiedenen Inhalten auf der einen und dem Unterscheider auf der anderen Seite und die zwischen Unterscheidung und Nicht-Unterscheidung.


    _()_

  • Hi Tai


    Ein Beispiel für "bloßes" Unterscheiden wäre Heiß-Kalt oder Tag-Nacht oder blau-weiß, heilsam-un heilsam, Freude-Trauer, richtig-falsch. Da ist nix Duales dran. Anders ist es mit der Beurteilung durch das Subjekt: mögen/nicht mögen, gut/schlecht.


    Prajna Paramita wird gar als 4-fache Weisheit oder auch 4-fache Wahrheit "unterscheidend" definiert(Definitionen haben uns aber nicht zu kümmern) ;)
    1. Die grosse perfekte Spiegel Weisheit
    2. Die Weisheit der vollkommenen Gleichheit
    3. Alles unterscheidende Weisheit
    4. Alles tuende Weisheit.

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • Morpho:
    Zitat

    Es dürfte beides richtig sein, in A.V.

    (?)


    Das "A.V." steht für Anguttara Nikaya 5. Buch, A.V.24 wie ich verlinkt habe. Ich bin mir nicht sicher gewesen, ob Folge oder eventuell auch gegenseitige Wirkung. Vielleicht sowohl als auch, aber in der Kommentarliteratur wird auch von einer Reihenfolge gesprochen:



    ~


    Zitat
    Zitat


    was aber im Grunde das Gleiche ist, denn sittenrein handelt man dann, wenn man kein Leid verursacht.


    Aber Tugend bezieht sich nicht ausschließlich auf liebeveolle Güte, auch auf Abgeschiedenheit des Geistes [Entsagung ], das nicht-anhangen, relative Besitzlosigkeit...


    Das ist in m. W. in der ersten, vielleicht auch in der zweiten usw. Reinheit wiedergegeben. Später überlappt sich dann auf dem Pfad einiges, ich würde sagen der Anfang ist gegliedert gut überschaubar, ähnlich wie der Stufenweg des Mahayana.


    Zitat
    Zitat

    Die anfangs dualistische Unterscheidung wandelt sich in Hellblick


    Das ist eine "relative" Denkweise. Eine dualistische (konventionelle ) Unterscheidung von Heilsam und Unheilsam, Leidhaft und Leidlos, kann nicht vollkommen [samma] "makellos" sein; das Verständnis stammt hier auch aus Hörerwissen, auch das des Bodhisattva, nur das des ( künftigen) Samma Sambuddha nicht. Und 'unterscheidende Weisheit' [Prajna] ist non-dual.


    Die rationale (duale) Unterscheidung beinhaltet das Potenzial der Wandlung, der Weg der Relativität endet im Absoluten...


    Zitat

    Eine "rationale Analyse" kann nicht vervollkommnet werden, auch nicht die "Kontemplation", so dass sie sich zu Prajna "wandeln" könnte.


    Diese Ansicht stammt vielleicht daher, dass Buddha seine Gedanken/Absichten in Heilsam und Unheilsam teilte, das Heilsame förderte und sich dem Unheilsamen enthielt. Aber man legte hier dann den Schwerpunkt auf sein "Verständnis", und meinte, aha, das muss also "entwickelt werden". Es war aber die Tugend, die ihn dazu anhielt. 'Tugend' kann sich daher vervollkommnen, allerdings nicht wenn das Wesen am wörtlichen Regelwerk hängt, nicht durch Tugendhaftigkeit, sozusagen


    Um mal einen Bogen zum Thema schlagen: Der sg. IQ ist unwesentlich für das Betreten des WEGES, aber nicht der sg. EQ.


    Ja, da gibt es einige, die tugendhaft leben und dabei den Buddhismus gar nicht kennen. Die Frage ist aber, was die Urheber des Begriffs EQ genau meinten, oder auch was allgemein darunter verstanden wird.


    Yofi

  • Zitat

    Diese Stufen der Reinheit (satta visuddhi) sind nun folgende:


    Nun ja, im Zen -kein Stufenweg- ist es nicht so, dass du erst ein Tugend-Bold werden/sein musst, um zum Pfad zu Erwachen ;)


    Zitat

    Die rationale (duale) Unterscheidung beinhaltet das Potenzial der Wandlung, der Weg der Relativität endet im Absoluten...


    Bisserl Mitdenken kann nicht schaden, wenn s zur Praxis anhält/inspiriert. Aber "Praxis", zumindest im Zen, ist erstmal: nicht-unterscheiden des Abschneiden


    Aber sag mal, mein Yofi, was möchtest du sagen, oder worauf magst du hinaus, bezogen auf das Thema ?

  • Ich habe 'Rationalität' und 'Emotionslosigkeit' ins Buddhistische übersetzt und in dem gleichen Kontext die Rolle der Gefühle relativiert um zu den Drei Daseinsmerkmalen zu gelangen. Die 'Unterscheidende Weisheit' ist dual und dem Störgefühl enstprungen - das ist nun auch klar, also bleibt nur noch der Erkenntnisblick als Antrieb bzw. Mittel, bedingt durch das oben Verlinkte, das es aber im Zen nicht gibt, unklar...


    Morpho:

    Nun ja, im Zen -kein Stufenweg- ist es nicht so, dass du erst ein Tugend-Bold werden/sein musst, um zum Pfad zu Erwachen


    Morpho:

    'Tugend' kann sich daher vervollkommnen, allerdings nicht wenn das Wesen am wörtlichen Regelwerk hängt, nicht durch Tugendhaftigkeit, sozusagen


    Also eine Tugend ohne Tugendhaftigkeit, wie sieht diese Tugend aus?


    Morpho:

    ... zumindest im Zen, ist erstmal: nicht-unterscheiden des Abschneiden


    Wenn etwas abgeschnitten wird, muss man dann nicht unterscheiden, was von was abgeschnitten wird? Ich denke Unterscheidende Weisheit ist ein Geistesfaktor, der im Relativen nicht 'abgeschnitten' werden kann.


    Yofi

  • Yofi:

    Zitat

    Also eine Tugend ohne Tugendhaftigkeit, wie sieht diese Tugend aus?


    Tsja, wie sieht so was aus ... Entsagende Gesinnung (nekkhamma-sankuppa), haßlose Gesinnung (avyāpāda- sankappa) und friedfertige Gesinnung (avihimsā-sankappa)...


    Zitat

    das es aber im Zen nicht gibt...

    Nicht doch !


    Zitat

    Ich denke Unterscheidende Weisheit ist ein Geistesfaktor, der im Relativen nicht 'abgeschnitten' werden kann.


    mit ... Alkohol und Drogen, übermäßigem Denken und aller Arten Leidenschaften ?

    Einmal editiert, zuletzt von Anonymous ()

  • 'Entsagung' und die Wandlung zur Erkenntnis: Zunächst entsagt man, später will man gar nicht mehr. Ich glaube auch, dass es das im Zen gibt.

  • Yofi:

    'Entsagung' und die Wandlung zur Erkenntnis: Zunächst entsagt man, später will man gar nicht mehr. Ich glaube auch, dass es das im Zen gibt.


    Sowas soll es teilweise sogar bei manchen Christen gegeben haben.

  • Geliebte Armut. Buddhismus war ja nicht bekannt, und der Weg zum Entsagen und Aussteigen hat sich auch bei uns bewährt.

  • Yofi:

    ... und der Weg zum Entsagen und Aussteigen hat sich auch bei uns bewährt.


    Staatlicherseits für Hartz 4 Empfänger, ja. ;)

  • Morpho:
    Zitat

    und auf dem Dualismus leidhaft / nicht-leidhaft beruht ja auch jede Bewertung heilsam / nicht-heilsam.


    Nein, diese an sich bewertungsfreie "Einteilung" "beruht" tatsächlich auf dem sg. [ unverschleierten, non dualen ] Erkenntnisblick, dieser besitzt aber die Qualität 'unterscheidende Weisheit'


    Das nenne ich das Pferd vom Schwanz her aufzäumen. Für jeden, der diesen "sg. [ unverschleierten, non dualen ] Erkenntnisblick" nicht hat, ist allein schon dessen Existenz nichts als metaphysische Spekulation. Und auf einer metaphysischen Spekulationen "beruht" überhaupt nichts. Die Relation Handlung und Wirkung hingegen ist aus empirischen Erfahrungen ableitbar. Eine Handlung, die Leidensminderung bewirkt, ist heilsam. Das ist tautologisch. Mehr an "Erkenntnisblick" (gar eines "non-dualen") bedarf es da nicht.


    Morpho:
    Zitat

    Rationale Analyse und rationale Schlussfolgerung aus der Analyse ist Prajna


    Anders als andere Erkenntnisformen [ durch eigenes Nachdenken gewonnen, durch Hören gewonnen ] wird Prajna [ Weisheit ] in der Lehre und von Meistern nicht dem "weltlichen" Verständnis, zum Beispiel einer sg. Rationalität zugerechnet. Das mag im westlichen Verständnis von "Weisheit" anders sein.


    Hier wird nun wiederum gerade am falschen Ort eine dualistische Unterscheidung angebracht. Letzlich geht es hier um Epistomologie - also um die Frage, welches Quellen gültiger Erkenntnis sind. Da wäre zunächst die Empirie zu nennen und sodann die Vernunft, die empirische Erfahrungen zueinander in Relation setzt und daraus Gesetzmäßigkeiten ableitet. Weitere Erkenntnisquellen wie z.B. göttliche Offenbarungen oder die Autorität heiliger Schriften usw. usf. werden im Buddhismus nicht akzeptiert. Wenn jemand behauptet, er beziehe seine Weisheit aus übernatürlichen Quellen, dann ist er für mich uninteressant. Entweder, weil mir diese übernatürlichen Quellen nicht zugänglich sind oder - was wahrscheinlicher ist - es sich um einen Scharlatan handelt.


    Nun mag die Prajna "von Meistern" sich von "weltlichem Verständnis" unterscheiden - aber das heisst nicht, dass sie auf anderen Erkenntnisquellen beruht. Es gibt keinen Dualismus "weltliche" Prajna und Prajnaparamita - der angesprochene Unterschied ist nur ein gradueller.


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  • Tai:

    Als "richtige" Haltung gegenüber einer "unheilsam-leidhaften Fehlhaltung" abgegrenzt klingt das in meinen Ohren nicht weniger dualitär als z.B. die Unterscheidung zwischen störenden Emotionen auf der einen und instiktiven Reaktionen auf der anderen Seite.


    Nun - es gibt ja nicht nur die eine "unheilsam-leidhafte Fehlhaltung" - es gibt unendlich viele mögliche solcher Haltungen. So, wie es auch unendlich viele "richtige Haltungen" gibt. Insofern ist die Metapher "Haltung" hier etwas überstrapaziert, da sie etwas Statisches suggeriert. Eine statische Haltung wird notwendig zur Fehlhaltung, weil das, worauf mit der Haltung reagiert wird, nicht statisch ist, sondern dynamisch, anitya. Darüber hinaus: "richtig" ist eine Haltung, wenn sie sich selbst aufhebt, indem sie mit dem, worauf 'Haltung' reagiert, eins wird. Insofern gibt es keine 'richtige Haltung' sondern allenfalls unter der Vielzahl von Haltungen solche, die sich der 'Nicht-Haltung' annähern. Diesen Näherungen kann man dann auch die von mir angesprochenen emotionalen und kognitiven Eigenschaften zusprechen, während eine Nicht-Haltung notwendig eigenschaftslos ist. Der zu überwindende Dualismus ist also nicht der zwischen richtiger und falscher Haltung (allenfalls könnte man von einem besser oder schlechter, heilsamer oder unheilsamer sprechen) sondern der zwischen Reiz und Reaktion (=Haltung).

    Tai:

    Ich frage mich schon ernsthaft, ob unsere dualitären Erklärungsversuche auch nur im Geringsten dazu beitragen, in einen Zustand einzutreten, in dem - wie du es nennst - alle Dualismen aufgehoben sind (ganz zu schweigen davon, dass dual und nondual natürlich auch einen Dualismus bezeichnen).


    Direkt gewiss nicht. "Erklärungsversuche" können nicht mehr, als bestenfalls zu einer besseren Praxis (einem besseren Umgang mit duhkha) motivieren, indem sie ihr eine Richtung weisen. Auch Buddha hatte nicht mehr zu bieten als "dualitäre Erklärungsversuche".


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Um auch meinerseits etwas klarer darzustellen, worum es mir bei meinem Einwurf vor allem ging: ich bin bei meinem Meinungs- und Erfahrungsaustausch mit Anderen gelegentlich auf ein Verständnis von buddhistischer Praxis als einer via negativa gestoßen, wobei es vor allem darum zu gehen scheint, Emotionen jeglicher Art zurückzuweisen. Das deckt sich nicht mit meinem Verständnis eines mittleren Weges und es widerspricht auch der klassischen Formel der dreifachen Praxis: meide das Schlechte, tue das Gute, reinige deinen Geist. Das Reinigen des Geistes bedeutet für mich auf der emotionalen Seite eben nicht nur das Überwinden bestimmter Emotionen, die eine Praxis des 'Schlechten' (Unheilsamen) bedingen, sondern auch Kultivierung bestimmter Emotionen, die eine Praxis des Guten bedingen.


    Eine reine via negativa, die bemüht ist, den gesamten emotionalen Komplex zu neutralisieren ohne Emotionen nach ihrer Heilsqualität zu unterscheiden (d.h. auch ihr soterologisches Potential negiert) ist für mich die eigentliche Definition von 'Hinayana'.


    ()

    OM MONEY PAYME HUNG

  • Sudhana:

    Eine reine via negativa, die bemüht ist, den gesamten emotionalen Komplex zu neutralisieren ohne Emotionen nach ihrer Heilsqualität zu unterscheiden (d.h. auch ihr soterologisches Potential negiert) ist für mich die eigentliche Definition von 'Hinayana'.()


    Ach, was es im Mahayana alles gibt.Sogar einen Hinayana.
    Was immer ein "yana" dort sein soll.