Geist /phil. Idealismus

  • Hi, ich lade euch ein zu einer Grundsatzdiskussion aller Traditionen zum Geist


    1. Gerade im Zen und im Vajrayana begegnet mir der Begriff "Nur-Geist" bzw. Only-Mind.
    Wie ist das gemeint ? Geht es dabei um einen philosophischen Idealismus ? Alles ist aus Geist ?


    Es muss sich dabei aber um etwas anderes handeln, wie das Alltagsbewusstsein, denn dass ist ja ziemlich begrenzt oder ?
    (Wenn ich einen Berg sehe, entsteht er zwar in meinem Bewusstsein, aber das bedeutet doch nicht, dass er keine Geschichte in der äußeren Welt hat, oder ?)


    2. "Geist über Körper/Materie"
    Das der Geist das primäre ist oder so verstanden wird (z.B. im Palikanan / Dhammapada), erschließt sich mir auch nicht. Oder ist das so überhaupt im Buddhismus gemeint ?


    Ich erhielt vor ein paar Tagen eine Narkose beim Arzt und war ziemlich schnell "weg", also bewusstlos. Auch mein Aufwachen war nicht bewusst.


    Ist das nicht die fundamentale Erfahrung, dass der Körper den Geist steuert ? Ist es nicht sogar nach der Hirnforschung so, dass wenn Teile aus dem Gehirn genommen werden bzw. geschädigt werden, sich die Persönlichkeit ändert ? Schmerzempfingen + Begehren und auch Persönlichkeits- und Entfremdungsgefühle sich bilden können ?



    Wenn der Geist dabei schon so abhängig ist, wie kommt man zur Erklärung durch Geistestraining könnte man "seine" spätere Wiedergeburt nach dem bewusstlosen Tod beeinflussen ?


    Ist das nicht Arroganz + Ignoranz des Körpergeist-Mechanimus ? Wird durch diesen Dualismus die Materie fälschlicherweise abgewertet ? Ist Materie+Geist nicht ein und dasselbe ?


    Bzw. zu 3.


    3. Gibt es im Buddhismus einen Körper-Geist-Dualismus ? (Der grundsätzlich widerlegt ist (Hirnforschung) oder ?)
    Siehe Leibniz der "Geist in der Maschine" Problem, welches ich auch auf einen Rechner/Server anwenden kann. In den Käbeln finde ich auch keine Software.


    4. Wenn Geist auch "nur" Körper ist. Bleibt die Frage: Wie komme ich in diesen Kopf ? Warum bin ich nicht in einem anderen Kopf oder interessanter: Wenn der Geist "materialistisch" ist, und ich jedes Teilchen meines Körpers direkt kopiere,
    aus welchem Kopf sehe ich dann ?


    a) aus Beiden
    b) aus meinem ursprünglichen
    c) aus dem Kopf des Klons
    d) es ist ganz anders...

    Nibbana:..Befreit von der Zuordnung durch Form, Vaccha, ist der Tathagata tief, grenzenlos, hart auszuloten, wie die See. 'Wiedererscheinen', ist nicht anwendbar. 'Nicht wiedererscheinen',ist nicht anwendbar... MN72 (http://zugangzureinsicht.org/)

  • Mabuttar:


    2. "Geist über Körper/Materie"
    Das der Geist das primäre ist oder so verstanden wird (z.B. im Palikanan / Dhammapada), erschließt sich mir auch nicht. Oder ist das so überhaupt im Buddhismus gemeint ?


    Das ergibt sich auch nicht zwingend aus den Texten, sondern nur zwingend aus der Motivation der Traditionen, die die althergebrachten Glaubensinhalte intuitiv suggerieren wollen. Buddhismus lässt sich ganz einfach auch unter dem Primat der Materie lesen.

  • Mabuttar:

    a) aus Beiden
    b) aus meinem ursprünglichen
    c) aus dem Kopf des Klons
    d) es ist ganz anders...


    e)Telefonjoker :D


    Da ich Geist nicht gesehen habe weiss ich nicht was das sein soll.

  • Mabuttar:


    4. Wenn Geist auch "nur" Körper ist. Bleibt die Frage: Wie komme ich in diesen Kopf ? Warum bin ich nicht in einem anderen Kopf oder interessanter: Wenn der Geist "materialistisch" ist, und ich jedes Teilchen meines Körpers direkt kopiere,
    aus welchem Kopf sehe ich dann ?


    Das ist ganz merkwürdig, was du schreibst. Ein Primat der Materie würde nicht bedeuten, dass Geist ein materielles Objekt ist. Es würde lediglich bedeuten, dass dem Geist materielle Ursachen vorausgehen. Ich würde auch empfehlen von "Bewußtsein" zu reden.
    Und warum du glaubst in deinem Kopf zu sein, leuchtet mir nicht ein. Der Begriff "ich" entsteht in deinem Kopf bzw. Gehirn.

  • Stero:

    Das ist ganz merkwürdig, was du schreibst. Ein Primat der Materie würde nicht bedeuten, dass Geist ein materielles Objekt ist. Es würde lediglich bedeuten, dass dem Geist materielle Ursachen vorausgehen.

    Und ein Primat des Geistes würde das Gegenteil bedeuten. Darauf lauft
    heute die Quantentheorie stark hinaus. Es gibt aber, noch eine dritte Betrachtungsweise.
    Danach gibt es in diesem Sinne überhaupt kein Primat sondern alles entsteht durch
    gegenseitige Zusammenhänge. Das mag eine weitere mögliche Betrachtung sein. Aber
    von der Lehre des Buddha her gesehen gibt es eine solche tatsächliche materielle Basis
    überhaupt nicht.

  • Mir ist relativ egal was die verschiedenen Traditionen vorgeben, meine Wahrnehmung von Zen-Buddhismus ist
    und das sind meine ganz persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen, dass der größte Einfluss im Leben um das Leid zu lindern
    das Bewusstsein, das Denken und die Gedanken sind. Auch bei einer Narkose mittels Nervengifte geht es um Vertrauen,
    um sich fallen lassen, sich öffnen und das ist ein sehr bewusster Prozess des Geistes, der Körper ist die Materie.
    Ich verstehe den Geist im Buddhismus, den Geist Buddhas eher so, dass die Frage aufkommt, warum ist eine Operation
    unter Vollnarkose notwendig, was ist da vorher im Alltag schief gelaufen, was war da zuviel viele Jahre lang?
    Wer der Gier, Aversion und Verblendung widerstehen kann sollte keine schweren Krankheiten bekommen, im Gegenteil,
    eher das Leid lindern und das ist ein vor allem geistiger Prozess dem mit gesundem Körper gedankt wird.
    Der Idealismus ist Seele, Geist, Körper mit einer Wertigkeit in dieser Reihenfolge, wer das geistig verarbeiten kann
    hat gute Chancen die Lebenskunst mit Qualität auszufüllen.

  • satizen:

    Zitat

    was ist da vorher im Alltag schief gelaufen,


    nix. krankheit ist karma.
    aber gibt auch ein "anhangen an tugendwerk",
    dann glauben wir, wir stünden über anderen wesen und über dem gesetz.
    "spirituelle eitelkeit" gehört dazu.

  • Ok,


    in Kurzform,
    1. was bedeutet im Mahayana "Alles ist Geist" oder Yogacara bzw. alles geht vom Geist aus ?


    2. Man kann es auch weglassen wie in Leibniz Monaden und den Dualismus zwischen Geist und Materie aufheben.
    Eben alles als "Phänomen" behandeln.


    Was bedeutet Krankheit ist Karma ? Wenn es bedeutet, dass Krankheiten Ursachen haben, dann hilft das nicht besonders weiter.
    Krankheiten werden ja eher unbewusst vom Körper geheilt, oder eben nicht.... (bis vor wenigen Jahrhunderten hatten die meisten Menschen keine Ahnung vom Körper und dessen Prozesse)
    Nur einige Medikamente und Operationen sind bewusste Heilungsprozesse, welche als Ursache den Arzt haben, keine anderen.


    3. Mit dem "Ich im Kopf" meine ich:


    Wenn es Bedingungen gibt welches Bewusstsein "erzeugt" , warum hat jeder nur eines ?
    Ist nicht so leicht zu erklären.
    Deswegen das Beispiel mit dem Klon.


    Vor mir kopiere ich oder bilde ich mein Gehirn genau nach als Beispiel.
    Somit müsste doch mein "Ich" genau in diesem Gehirn kopiert / erzeugt sein, versteht ihr ?
    Wenn diese Milliarden Zellen das Bewusstsein ergeben, müssen genau dieselben auch das Bewusstsein ergeben, richtig ?


    Trotzdem bleibe ich wohl doch in meinem "eigenen" Bewusstseins-Tunnel wie es Philosoph Metzninger formulierte.
    Obwohl es ja gar nicht das gleiche Hirn sein muss. Seit dem ich ein Baby bin hat sich mein Gehirn massiv verändert und trotzdem ist da nur 1 Bewusstsein.
    Wieso bin ich am frühen morgen beim Aufwachen immer in (fast) dem selben Körper ?


    Wenn das Gehirn so massive Unterschiede haben kann und ich trotzdem immer dieses Bewusstsein lebe, dann taucht es ja auch nach dem Tode dieses Gehirns wahrscheinlich in einem anderen Gehirn auf, oder warum nicht ?
    Das ist meine große Frage.


    Oder praktischer Fall:


    Ein Komet fliegt in 10 Jahren auf die Erde und zerstört alles. Es gibt eine neue Erde in 100 Jahrelanger Entfernung.
    Jetzt kommt jemand zu euch und macht einen Deal mit euch:


    All euer Vermögen + Verschuldung bzw. Verpflichtungen sollt ihr für denjenigen oder dieser Organisation eingehen (quasi euer Leben versklaven / opfern), dafür bauen sie einen Klon von eurem jetzigen Körper, schicken ihn schlafend und nicht alternd auf die Reise und erwecken ihn auf der neuen Erde.
    Er verspricht, dass "ihr" dann einfach auf der neuen Erde weiterleben könnt.
    ---------------------------------------


    Seid ihr dann tatsächlich dieser erweckte Klon ?
    Wacht ihr auf der neuen Erde auf ?
    Werdet ihr quasie in diesem Klon "wiedergeboren" Das Gehirn ist genau gleich aufgebaut.


    (Fortgeschrittene Frage: Wie ungleich darf euer Gehirn sein, dass ihr doch nocht "ihr" seid ?
    Je ungleicher, desto wahrscheinlicher, und am Ende kommt vielleicht die Identifikation mit allen Wesen bzw. Nicht-Ich heraus )

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  • Zitat

    "Alles ist Geist"

    Zitat

    dass alles Geist ist und aus Geist besteht


    Solange Dir niemand einen Baseball Schläger über den Kopf zieht :lol: (Was ich natürlich nicht wünsche)


    Zitat

    Karma ist ein Erklärungsmodell.


    stimmt. Irgendwie.. Karma bedeutet - Handlungen haben Folgen. Konsequenzen. Oder??


    Zitat

    Seid ihr dann tatsächlich dieser erweckte Klon ?
    Wacht ihr auf der neuen Erde auf ?
    Werdet ihr quasie in diesem Klon "wiedergeboren" Das Gehirn ist genau gleich aufgebaut.


    Was? Erweckter Klon? Bin ich hier plötzlich bei Scientology aufgewacht?


    Leute! Was hat so ein Unfug mit der Lehre zu tun?

  • Mabuttar:

    Hi, ich lade euch ein zu einer Grundsatzdiskussion aller Traditionen zum Geist


    Hallo Mabutar


    Solche Diskussionen ermüden mich. Ich erachte sie als Ausdruck unweisen Erwägens (http://www.palikanon.com/majjhima/zumwinkel/m002z.html)


    Statt über Geist könnte auch über "Kols" diskutiert werden.


    Jeder stellt sich unter Wörtern anderes vor da jeder andere Erfahrungen und andere Empfindungen macht. Aus "meiner" buddhistischer Sicht erschaffen solche Gedanken keine Klarheit sondern neue Gestaltungen.


    Deine Fragen lassen sich nur mit Gehen des 8- fachen Pfads klären.

  • @Sprite:


    - Zu Geist: Das alles Geist ist erkennt man daran, dass .... ?
    Es leuchtet nicht intuitiv ein, oder ? Man könnte es damit erklären, dass es z.B. magnetische Feldlinien gibt welche ja nicht materiell sind aber halt "Kräfte". Und sind Kräfte nicht eigentlich Wirkungsweisen aus den Naturgesetzen und damit reine Information ohne Teilchen ? So würde ich es mir herleiten.


    Wie du ? Wie der Yogacara- / Mahayana-Buddhismus ?


    Zu Karma: Ich glaube dass lasse ich lieber außen vor, dass soll nicht der Kern der Diskussion werden.
    Obwohl eines interessiert mich dann doch: Lehrte Buddha nicht, dass es mehrere Ursachentypen gibt außer von Wesen erzeugtes Karma ?


    Zu Zellen / Bewusstsein: Ein interessanter Aspekt und hat auch was -> Durch mein Denken / Lernen werden neue Zellen gebildet. Jedoch kann auch ein "Toter Körper" weiter belebt werden. Z.B. könnten die Zellen in Nährböden weiter am "Leben" gehalten werden. Haben Zellen ein Bewusstsein ?


    Vertrittst du dann einen Dualismus wie Descartes, dass es 2 Substanzen gibt, nämlich Geist und Materie ?


    @ fotost und Bakram : Das ist nur auf den 1. Blick Unfug. In Wirklichkeit geht es im buddhistischen Sinne um (Wieder-) Geburt.
    Es geht um die Philosophie des Geistes, womit sich auch Buddha beschäftigte. Es geht nicht um reine Begriffsdefinitionen oder -spielereien sondern um die Untersuchung des Geistes, eures eigenen. Es geht um ein Kernelement des Buddhismus.


    Buddhistischer gesprochen kann in meinem Beispiel der Klon mit der "neuen Wiedergeburt" gleichgesetzt werden und die Kosten des Erdenbürgers mit der Aufnahme der buddhistischen Lehre, des Asketentums (alles hinter sich lassen / verlieren)
    und sich ggf. an die Mönchsregeln zu halten.
    Mit dem Unterschied, dass die abendländische mit der buddhistischen Sicht beim Ziel getauscht werden müsste.
    Also keine zukünftige Wiedergeburt zu wollen während der Erdenbürger einfach nur weiterleben möchte.


    Die Frage an einen selbst lautet (kann auch meditativ behandelt werden ):


    Wieso werde "ich" in diesen Körper geboren und könnte das wieder passieren oder nie wieder ?
    Sollte die Antwort sein, dass das Ganze einmalig war ist die buddhistische Lehre im Hinblick auf das Ziel einer Nie-Wieder-Geburt obsolet.


    Eine der Palikanon Erklärungen, dass es Samen, Ei und ein Geistwesen braucht ist unwissenschaftlich bzw. das Geistwesen sind nicht notwendig bzw. bis heute unbewiesen.


    Könnte man mentale Zustände jedoch z.B. funktionalistisch beschreiben ( Ein Vogel erlebt Schmerz, ein Mensch erlebt Schmerz, beide haben aber unterschiedliche Gehirne) ist die Frage, was ist eine Funktion ?


    Funktionen können sich immer wieder in verschiedenen Varianten wiederholen und sind evtl. so etwas wie beim Urvater des Idealismus Platon eine "Idee" und diese wiederum Geist bzw. könnte sich immer wieder wiederholen.
    Logischer Schluss: Dieses Bewusstsein oder ein Ähnliches kann immer wieder erscheinen.


    Nur werde "Ich" es erleben ? Vielleicht stimmt doch der Einwand steros, dass es je Individuum 1 Geiststrom / Atman gibt.
    Glaubt ihr wirklich, dass ihr immer wieder aufwacht egal was kommt (außer nach der Erleuchtung in der Interpretation der Wiedergeburtsanhänger ) ?

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  • Was Zen betrifft:
    Es gibt - neben den Überlieferungen der "alten Schulen" (Agamas) - zwei wesentliche indische Einflüsse:
    1.
    das "Cittamatra" ("Nur-Geist") und ich verwende diesen Begriff in Abgrenzung vom Yogacara, weil letzteres eine Reihe von späteren Entwicklungen (die Auslegungen von Dharmakirti und noch spätere in Tibet) umfaßt, die keine Bedeutung für die ostasiatischen Chan-Traditionen erlangten. Für Zen ist hier das Lankavatara-Sutra maßgeblich (mythisch durch Bodhidharma nach China gebracht), das tibetische Curriculum umfaßt eher Kommentarliteratur.
    2.
    das "Mādhyamaka" ("Mittlerer Weg") angefangen von Nagarjuna (MMK) bis zu den Prajnaparamita-Sutren.


    Die Rezeption in Ostasien erfolgte überwiegend über die chinesischen Übersetzungen, das ist keine unerhebliche Feststellung, wie man sich leicht überzeugen kann - zb. an Hand der Übersetzungen des MMK von Garfield (tibetisch) vs Geldsetzer (chinesisch). Ich will jetzt keine Grundsatzdiskussion über Übersetzungen anfachen, es ist nur ein Hinweis darauf, wieso sich die Auslegungen im nördlichen und östlichen Buddhismus teilweise so deutlich unterscheiden.


    Grundsätzlich sollte festgestellt werden, daß der westliche "Köper-und-Geist"-Dualismus, beginnend mit Anaxagoras (ca 500 v.Chr.), ausgebaut von Platon, in den früheren buddhistischen Traditionen keine Bedeutung hat. "Körper-Geist" (namarupa) ist schon in den Pali-Überlieferungen eine Einheit, alle "Trennungen" dienen nur der Beschreibung einzelner Funktionalitäten in diesem Zusammenhang. Noch deutlicher erfolgt die Zurückweisung solcher Dualitäten als ontologisch durch Nagarjuna (und zwar sowohl in den tibetischen als auch chinesischen Übersetzungen).
    Nicht zuletzt Dōgen mußte sich wieder im 13.Jh in Japan erneut gegen diese stets virulente Falle des Dualismus erwehren.


    Was nun das Cittamatra betrifft, wird darin im Zen keine Ontologie gesehen, sondern im Gegenteil die Ermahnung, worin das Wesen der Buddhalehre besteht. Es ist eine (buddh.) Soteriologie, deren Ansatzpunkt ausschließlich die innere Erlebniswelt ist, und nicht im "Äußeres".
    Dōgen macht das wieder in der Gegenüberstellung deutlich: "Den Buddhaweg ergründen heißt sich selbst ergründen" vs "Sich selbst vorantragen um die zehntausend Dinge (als "Äußeres") zu bezeugen".

  • Hallo Mabuttar,


    da ich mir jahrelang selbst den Kopf über die von dir gestellten Fragen zerbrochen habe, möchte ich dir ein paar Überlegungen dazu mitteilen, in der Hoffnung, dass sie dir vielleicht nützlich sein können. Dazu aber noch die Anmerkung, dass ich kein Buddhist bin, somit meine Aussagen durchaus im Widerspruch zur buddhistischen Lehre stehen können.


    Das "Ich im Kopf"


    Ich trenne Bewusstsein und das, was bewusst wird. Bewusstsein betrachte ich dabei als ein Prinzip. Das Prinzip, dass bewusstes Erleben erfolgt, das, genau das, ist für mich Bewusstsein. Es ist nicht mehr und nicht weniger. Dadurch, dass ich Bewusstsein als Prinzip betrachte, verliert es die Qualität "Existenz". Es ist weder etwas, noch ist es nichts. Ein Prinzip kann auch niemandem gehören, daher gibt es weder mein, noch dein Bewusstsein. Ist es ein Prinzip, gibt es nur eines, denn ein Prinzip ist mit sich selbst identisch und von sich selbst ununterscheidbar. Mit deinem Tod "stirbt" daher auch nicht dein/das Bewusstsein. Ist Bewusstsein ein Prinzip, ist es zugleich leer von weiteren Eigenschaften. Was das "Ich" betrifft, so ist Bewusstsein, bildlich gesprochen, lediglich die Bühne, auf der sich dein Leben abspielt. Diese Bühne gehört dir nicht, das Leben aller anderen bewussten Lebewesen spielt sich auf der gleichen Bühne ab.


    Alles, was das ausmacht, was wir "Ich" nennen, ist daher Teil dessen, was bewusst wird. Hierbeit handelt es sich um dichtes Geflecht von Relationen und Assoziationen. Innerhalb dieses Geflechts tauchen "meins" und "nicht meins", "ich" und "nicht ich" auf. Dabei handelt es sich um Ideen, die Bezüge zu anderen Ideen haben. Das es etwas gibt, was ich bin, ist eine Idee. Dass es etwas gibt, was meins ist, ist eine Idee. Dass ich es selbst bin, der alle diese Ideen hat, ist eine Idee. Dass "cogito, ergo sum" gilt, ist eine Idee.


    Alles, was das "Ich" ausmachen kann, bleibt in diesem Geflecht gefangen, nichts greift nach außen. Ich bin daher weder das Bewusstsein, noch kann ich diese Abfolge von Ideen sein, sie enthalten mich lediglich. Trotzdem kann ich in gewissem Sinne von "meinem" Erlebensstrom sprechen, auch wenn er nicht mein Objekt ist, sondern ich sein Objekt.


    Unter diesen Voraussetzungen ergeben sich Antworten auf deine Fragen wie folgt, sofern nicht schon oben erfolgt:


    Angenommen, es ließe sich ein Klon erzeugen, der dann über bewusstes Erleben verfügt, so würdet ihr beide zunächst die gleichen Erinnerungen haben, jeder würde von sich zugleich behaupten, er wäre das Original (jedenfalls falls ihn das Environment nicht vom Gegenteil überzeugt) und erst von diesem Moment an würdet ihr euch unterschiedlich entwickeln. Da das Erleben von vielerlei kleinsten Ereignissen abhängt, wärt ihr euch schon nach kurzer Zeit nicht viel ähnlicher, als eineiige Zwillinge, von eurer absolut identischen Vergangenheit mal abgesehen.


    Du bist beim Aufwachen nicht in immer dem gleichen Körper, weil da nichts ist, was Bestand hat und "Ich" in diesem Sinne sein könnte. Es wird vielmehr ein Erlebenskontext bewusst, der das Gefühl für speziell diesen deinen Körper enthält, sowie speziell deine Erinnerungen. Daher wird in speziell diesem Erlebenskontext immer der gleiche Körper mit immer den gleichen Erinnerungen bewusst. Das gilt aber für jeden anderen Erlebenskontext mit anderen Körpern und Erinnerungen ganz genauso. Keiner von diesen Erlebenskontexten gehört dir aber, du bist vielmehr in einem speziellen Kontext auch immer die zu diesem Kontext gehörende, spezielle Person.


    Falls das ad hoc schwer einsehbar ist, stelle dir vor, du wachst für einen Tag in einem anderen Körper auf. Aber Vorsicht, gemeint ist keine Mixtur aus dem Körper von Person A und den Erinnerungen von Person B, da dies nicht zusammen passt, würde einem das selbstverständlich auffallen. Wenn du jedoch im Körper von Person B mit den Erinnerungen von Person B aufwachst, was sollte dir da auffallen? Du könntest dich im Gegenteil fragen, warum du eigentlich immer als Person B aufwachst - obwohl du gestern noch Person A warst - du weisst es als Person B nur nicht.


    Das kann man auch noch auf eine andere Art interpretieren: Du bist jederzeit mit allen bewussten Lebewesen identisch - bzgl. des Bewusstseins als Prinzip.


    Es gibt daher im absoluten Sinne weder deinen Körper, noch dein Bewusstsein, noch dein "Ich". Dieses sind alles Dinge, die im Hier und Jetzt sehr vergänglich und sehr veränderlich als deins erscheinen, ohne dass es überhaupt irgendetwas geben würde, dem wirklich etwas gehören könnte.


    Das Bewusstsein ist immer, egal, ob du tot oder lebendig ist. Das einzige, was enden kann, ist die Bewusstwerdung dieses speziellen Erlebenskontextes, der sich so anfühlt, wie er sich für dich anfühlt.


    Die Frage, ob du mit dem Klon auf der fernen zweiten Erde identisch wärst, ist daher zu verneinen. Allerdings bist du nicht mal mit dem Original - also dir selbst - identisch. Du bist von jedem Augenblick zum nächsten ein anderer. Wenn du morgens aufwachst, bist du genauso wenig derselbe, der am Abend zuvor schlafen gegangen ist, wie der Klon mit dir identisch ist.


    Deshalb ist es auch kein Widerspruch, dass beide sehr unterschiedliche Überzeugungen haben werden - weil diese nur Illusionen sind. Der, der auf der Erde zurückbleibt und hier stirbt, wird die Illusion haben, dass die Sache nicht geklappt hat und er selbst als Original nun doch sterben musst. Der Klon wird hingegen die Überzeugung haben, dass alles wunderbar funktioniert hat und er tatsächlich als das Original weiterleben kann. Doch keiner von beiden ist wirklich das Original.


    Grüße und ein gutes, neues Jahr.

  • Herzlich Willkommen Unreal,
    Dein Beitrag gefällt mir, ich finde das sehr gut erklärt. :D Es erinnert mich an Ramesh "Advaita", der erklärte auch auf diese Weise.
    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Unreal,


    Danke, dass liest sich recht schlüssig und kommt mir auch recht realistisch vor.
    Nur über das Bewusstsein muss ich nochmal meditieren.


    Es ist manchmal schwer zu fassen, dabei ist es alles was man erlebt.

    Nibbana:..Befreit von der Zuordnung durch Form, Vaccha, ist der Tathagata tief, grenzenlos, hart auszuloten, wie die See. 'Wiedererscheinen', ist nicht anwendbar. 'Nicht wiedererscheinen',ist nicht anwendbar... MN72 (http://zugangzureinsicht.org/)

  • Unreal:

    Das Bewusstsein ist immer, egal, ob du tot oder lebendig ist. Das einzige, was enden kann, ist die Bewusstwerdung dieses speziellen Erlebenskontextes, der sich so anfühlt, wie er sich für dich anfühlt.


    Nach der Lehre des Buddha ist allerdings alles vergänglich auch das Bewußtsein.
    So wird gesagt es ist wie: "der Baum ist vergänglich geschweige sein Schatten".
    Das heißt soviel wie "Das Bewußtsein ist vergänglich also auch Bewußtwerdung."
    Und der Buddha lehrte die Ursachen und den zur Erlöschung des Bewußtseins
    führenden Weg. Aber richtig ist schon das Bewußtsein zu den fünf Khandhas
    gehört aus denen alles Dasein besteht.


  • Vergänglichkeit ist doch aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist das "bedingte Entstehen". Wenn bestimmte Ursachen und Bedingungen aufeinander treffen, dann entsteht aus den Samen eines Baumes ein neuer Baum. Der alte Baum ist vergänglich, er hinterlässt aber "karmische Spuren" seiner vorherigen Existenz. Dieses lässt sich auch auf das Bewusstsein übertragen.

  • Sherab Yönten:

    Vergänglichkeit ist doch aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere ist das "bedingte Entstehen". Wenn bestimmte Ursachen und Bedingungen aufeinander treffen, dann entsteht aus den Samen eines Baumes ein neuer Baum. Der alte Baum ist vergänglich, er hinterlässt aber "karmische Spuren" seiner vorherigen Existenz. Dieses lässt sich auch auf das Bewusstsein übertragen.


    Ja genau, sonnst wäre es ja auch nicht vergänglich/unbeständig/haltlos/gebrechlich usw. usw.

  • Sprite:


    Das Problem was denn jedoch entsteht: Was antwortest du auf die Frage: "Wer bin ich?"


    Nach den genannten Ausführungen, und so sieht es Ramesh auch - "Ich bin Bewusstsein".


    Aus buddhistischer Sicht ist dies nicht zutreffend, da nichts "Ich und Mein" genannt werden kann (im absoluten Sinne).


    Hast Du Ramesh erlebt? Im absoluten Sinne war ihm auch klar, dass "Er" nicht Bewusstsein ist, siehe das Herzsutra, Form ist Leere, Leere ist Form.

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Sprite:
    Zitat

    Hast Du Ramesh erlebt?


    Nein, du?


    Ja. 1994 war ich bei ihm - sowohl zuhause als auch zu einem 14tägigen Seminar. Zuvor stand ich mit ihm in brieflichem Kontakt. Bis heute hat sich für mich an der Bewertung seiner Sicht der Dinge nichts geändert, da er sich eigentlich nicht festgelegt hat - ehe eine Nichtdie-Nichtdas-Haltung - "jetijeti", nondual eben. Oder wie im Zen: Wenn Du es benennst, ist es das nicht, wenn Du es nicht benennst, ist es das auch nicht.


    Zitat

    Im absoluten Sinne war ihm auch klar, dass "Er" nicht Bewusstsein ist, siehe das Herzsutra, Form ist Leere, Leere ist Form.


    Jaja, aber ich glaube mit dem Herzsutra hat seine Lehre recht wenig zu tun...er spricht ständig von "Ich bin" und "Zeuge sein" was für mich ausdrückt, dass er etwas als "Ich" definiert, eben Bewusstsein oder "den Beobachter/Zeugen" wobei er im Einklang mit der Advaita Lehre ist...siehst du das anders?[/quote]


    Ja, ich sehe das anders. Ramesh hat sich bemüht, die Menschen da abzuholen, wo sie eben gerade standen - er sprach verständlich, wobei dennoch auch da wieder Verwirrung herrschte :lol: .
    Wenn also Themen aus dem Zusammenhang gerissen wurden, dann entsteht vielleicht der Eindruck "er dachte so oder so". Er stand der Lehre Buddhas näher als manch ein Buddhist. So meine Erfahrung. Das Herzsutra war eines seiner "Lieblingstexte", wobei hier nicht der Eindruck entstehen soll, er habe etwas mehr "geliebt" als anderes. Aber das ist nur meine Interpretation.
    _()_

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  • Sprite:


    Nach den genannten Ausführungen, und so sieht es Ramesh auch - "Ich bin Bewusstsein".


    Was sagt man wenn jemand fragt ? Kannst zwar grinsen und nichts sagen (was treffend wäre) aber wer würde das verstehen ? Also sagt man eben Bewusstsein, Stille, Raum, Eins, Gott, irgendwas, nicht-etwas, "das ungenannte was nicht genannt werden kann wil es sonst nicht mehr ungenannt wäre und unzutreffend", etc. Ramesh hätte nur die Wahl nichts zu sagen gehabt, alles andere ist Unsinn. ABer "nichts sagen" kapieren nur wenige. "Nicht identifiziert mit irgendwas" "gar nicht da" was auch immer. EIn Lehrer weiss wie er mit seinen Patienten umgehen muss, wenn er nichts sagen braucht ist er ruhig, anderen wiederrum muss man was sagen.
    Was man ihm ankreiden kann, dass er "Lehrer" war. Weil genau den Lehrer gibt es nicht. Das Schüler-Lehrerding ist gagga. Aber eventuell hat er sich gar nicht als Lehrer gesehen, keine Ahnung.

  • keks:
    Sprite:


    Was man ihm ankreiden kann, dass er "Lehrer" war. Weil genau den Lehrer gibt es nicht. Das Schüler-Lehrerding ist gagga. Aber eventuell hat er sich gar nicht als Lehrer gesehen, keine Ahnung.


    Das Lehrer-Schüler-Verhältnis war ihm unangenehm, Keks. Das hat er immer wieder zum Ausdruck gebracht. Weder wollte er hofiert werden, wie es die Inder tun, noch wollte er eine Beziehung als direkter Lehrer eingehen. Er hätte sich natürlich zurückziehen können, aber aus Mitgefühl mit den vielen 100en von Westlern, die ihn aufsuchten, hat er sich dem Unvermeidbaren hingegeben. Für die einen ein Fehler, für den Anderen ein Segen.
    _()_

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  • Buddha hat hat nie gesprochen.
    Diamantsutra:
    The Buddha spoke Dharma for forty-nine years and when the time of his nirvàõa arrived, he said that he had not spoken one word. He said, “If anyone says the Tathàgata has spoken Dharma, he slanders the Buddha because he has been unable to understand what I have said.Ÿ


    Es wird immer von einem "Selbst" ausgegangen, das gibt es nicht.