Gerede und Interpretation: Der Selbstbetrug

  • thigles:


    Der Sklave kann sich noch so sehr darin üben, keine Wut gegenüber seiner Situation und seinen Peinigern zu entwickeln - welche Suggestionen er sich auch immer bedient


    Erst kommt eine Erfahrung, dadurch kommt Wissen und dann folgt die Übung. Übung ohne die ersten beiden ist eine Übung ohne Grundlage.

  • thigles:

    ...
    Der Sklave kann sich noch so sehr darin üben, keine Wut gegenüber seiner Situation und seinen Peinigern zu entwickeln - welche Suggestionen er sich auch immer bedient - es wird seine Situation in seiner Situation nur noch weiter verschlimmern und ihn noch tiefer zum fremdbestimmten Sklaven machen, denn er wird lernen, daß nichts was er tut oder was er nicht tut, irgendetwas an seiner Situation verändert. Er ist und bleibt fremdbestimmt und entwickelt gar ein Stockholm-Syndrom.


    Grüße thigles,


    ich habe viel Sympathie für Deinen Gedankenansatz. Viel zu oft ist Religion gebraucht/mißbraucht worden um negative soziale Systeme zu rechtfertigen oder sonstwie weiter existieren zu lassen.


    Sklaverei ist kein weit entferntes historisches Phänomen, Sklaverei gibt es heute noch und zum weit überwiegenden Teil in Gebieten, in denen Religion eng mit den Mächtigen verbunden ist. Selbst im Buddhismus kein absolut fremdes Element. Sucht einfach nach 'Tempelsklaverei, Buddhismus' als Suchbegriff.


    Ich vermute, der von Dir zitierte Text (bitte bei Zitaten immer die Quelle, am besten mit einem Link angeben!) hat eine andere Zielrichtung. Es geht um die Betrachtung Mensch vs. Handlung.

  • thigles:


    Frage: Wenn ihr dem (nicht-buddhistischen) Sklaven zu etwas raten würdet, was und in welcher Form wäre das?


    Was soll man raten, als das was man selber als hilfreich erfährt um Hasslosigkeit zu entwickeln. Wobei es ungewiss bleibt, ob das dann eine Hilfe ist.
    Es kommt darauf an welchen Rat er annehmen kann, was er eben versteht und weiß. Und was man selber versteht - man kann ja vielleicht Hasss als unnötig und schädlich erkennen wenn einem jemand auf der Straße anrempelt, und daran arbeiten ihn aufzulösen. Aber es ist was anderes sich in eine solche Situation der Versklavung hineinzudenken, um dann zu sagen: Also ich würde das so und so machen...das bleibt doch eher theoretisch.
    Große Achtung habe ich vor Menschen die das KZ erlebt haben und keinen Hass mehr hegen. Oder da war mal ein Tibeter bei einem öffentlichen Auftritt, der sagte dass das Einzige, wovor er in den chinesischen Foltergefängnissen Angst hatte, war sein Mitgefühl zu verlieren.

  • Wenn man mich nicht explizit fragt versuche ich keine Ratschläge zu geben. Hier im Forum ist das auch immer so eine Gratwanderung. Will ich andere von meiner Wahrheit überzeugen, und halte sie gar noch für Alle als das Beste (eingentlich eine sehr Ich-Bezogene Sichtweise), oder kann ich tatsächlich auf den Andern eingehen und ihm was sagen was ihm in seiner Situation einen Denkanstoß geben kann, obwohle es vielleicht garnicht das ist was man für sich selbst tun würde.


    Nun bei dem nicht buddhistischen Sklaven, ist das schon sehr eigenartig. Wenn er mich denn fragen würde, hoffe ich, dass ich was hilfreiches sagen kann. Von alleine würde ich nicht auf ihn zugehen.

  • thigles:


    Der Sklave kann sich noch so sehr darin üben, keine Wut gegenüber seiner Situation und seinen Peinigern zu entwickeln - welche Suggestionen er sich auch immer bedient - es wird seine Situation in seiner Situation nur noch weiter verschlimmern und ihn noch tiefer zum fremdbestimmten Sklaven machen, denn er wird lernen, daß nichts was er tut oder was er nicht tut, irgendetwas an seiner Situation verändert. Er ist und bleibt fremdbestimmt und entwickelt gar ein Stockholm-Syndrom.


    Die Moral von der Geschicht' ist nun, daß es absolut sinnlos und in vielen Fällen sogar brandgefährlich ist, sich derartige Anschauungen wie die oben zititierte suggerieren zu wollen. Was Nichtwissen zur Basis hat - wobei die zitierten Aussagen als Suggestion wie 'meditative Selbsthypnosetechnik' benutzt werden - kann ihn nicht aus Leid führen. Es ist daher sinnlos, sich etwas einzureden, in welcher Form auch immer. Der Sklave hat nur eine Möglichkeit aus dieser Hölle zu entkommen: Wann immer er durchaus nachvollziehbar Zorn, Wut, Angst, Neid, Verzweiflung usw. erliegt, muss seine Basis bereits auf Wissen gründen, auf daß der Inhalt des obigen Zitates etwas sei, was der Sklave bereits weiß - und nicht was er tun bzw. nachbeten soll. Der Buddhismus (und seine Buddhisten) lehrt diese eigentlich notwendige Perspektive nicht explizit und so bleibt der Buddhismus seit Jahrtausenden mehrheitlich aber nicht ausnahmslos leider nur eine exklusive Angelegenheit.


    Frage: Wenn ihr dem (nicht-buddhistischen) Sklaven zu etwas raten würdet, was und in welcher Form wäre das?


    Ich würde zur Flucht oder Zuflucht raten.
    Nur wenn es keine Fluchtmöglichkeit mehr gibt, gehen Sklave UND Herr zugrunde. Das ist ja ein Hegelsches Verhältnis.

  • thigles:


    Frage: Wenn ihr dem (nicht-buddhistischen) Sklaven zu etwas raten würdet, was und in welcher Form wäre das?


    Die Form hängt von der Form ab, in der er mich um Rat fragt und was ich ihm dann rate, von dem, was er hören will.

  • Schon wieder einer der's voll gepackt hat, man geniert sich ja langsam.


    thigles:

    Da aber auch durch dieses Gerede von mir hier nichts gewusst werden kann, war dies auch der letzte 'Gerede und Interpretation' Beitrag von ebendieser Seite.


    Soso.

  • thigles:

    Das schöne ist ja mukti, daß du als 'Gläubiger' kein Wort von dem was ich schreibe glauben musst.


    Tu ich eh nicht, weil ich gar kein Gläubiger bin. Und wenn jemand mehr Verwirklichung hat, wunderbar, kann man was lernen. Aber man kann ja durch Worte nichts lernen sagst du. Da steht man dann irgendwie blöd da, und hört woanders zu.

  • Zitat

    Die Moral von der Geschicht' ist nun, daß es absolut sinnlos und in vielen Fällen sogar brandgefährlich ist, sich derartige Anschauungen wie die oben zititierte suggerieren zu wollen. Was Nichtwissen zur Basis hat - wobei die zitierten Aussagen als Suggestion wie 'meditative Selbsthypnosetechnik' benutzt werden - kann ihn nicht aus Leid führen. Es ist daher sinnlos, sich etwas einzureden, in welcher Form auch immer. Der Sklave hat nur eine Möglichkeit aus dieser Hölle zu entkommen: Wann immer er durchaus nachvollziehbar Zorn, Wut, Angst, Neid, Verzweiflung usw. erliegt, muss seine Basis bereits auf Wissen gründen, auf daß der Inhalt des obigen Zitates etwas sei, was der Sklave bereits weiß - und nicht was er tun bzw. nachbeten soll.


    Hi thigles,
    genau das meinte ich ja mit meinem Thread "Die Lehre ist schwer zu verstehen".


    Zitat

    Der Buddhismus (und seine Buddhisten) lehrt diese eigentlich notwendige Perspektive nicht explizit und so bleibt der Buddhismus seit Jahrtausenden mehrheitlich aber nicht ausnahmslos leider nur eine exklusive Angelegenheit.


    Und genau das vermisse ich auch bei der Lehre. Aber es geht wohl nicht anders.
    Wie will ich jemandem helfen, den ich nicht aus seiner Situation befreien kann?
    Dennoch würde ich dem Leidenden zur Stille raten, zum Ertragen, evtl. zum Beten, zum Ja-Sagen zu seinen Gefühlen, ohne Widerstand zu leisten, weil Widerstand die Schmerzen nur erhöht. Ich würde aber nicht sagen "das ist Dein Karma", das empfinde ich als anmaßend und gefühllos.


    Als ich vor 25 Jahren mit meiner damals kleinen Tochter aus Kanada nach Hamburg zurückkehrte - nur noch ein Koffer, Gummistiefel an den Füßen, keine Wohnung, keine Arbeit, 35000 Mark Schulden -, da habe ich während des Rückfluges die Bibel auf den Knien stundenlang nur einen Vers gelesen "Seid um nichts ängstlich besorgt, sondern lasst in allem durch Gebet und Flehen zusammen mit Danksagung eure Bitten bei Gott bekannt werden. Und der Frieden Gottes, der alles Denken übertrifft, wird euer Herz und eure Denkkraft durch Christus Jesus behüten“ Philipper 4: 6,7. Das hat meine Nerven sehr beruhigt. Ich habe in Hamburg in den kommenden Jahren so viel Hilfe erlebt und das als von Gott "geantwortet" empfunden. Für mich war das magisch und ist es auch noch heute. Ich finde, es ist egal, wie wir uns behelfen, auch wenn wir etwas nachbeten, solange es uns nützt und friedvoll offen hält.
    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • mukti:


    Große Achtung habe ich vor Menschen die das KZ erlebt haben und keinen Hass mehr hegen. Oder da war mal ein Tibeter bei einem öffentlichen Auftritt, der sagte dass das Einzige, wovor er in den chinesischen Foltergefängnissen Angst hatte, war sein Mitgefühl zu verlieren.


    Ja, Mukti, das habe ich auch gesehen bzw. gehört. Aber das sind sicherlich große Ausnahmen.
    _()_ Monika

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Monikadie4.:
    mukti:


    Große Achtung habe ich vor Menschen die das KZ erlebt haben und keinen Hass mehr hegen. Oder da war mal ein Tibeter bei einem öffentlichen Auftritt, der sagte dass das Einzige, wovor er in den chinesischen Foltergefängnissen Angst hatte, war sein Mitgefühl zu verlieren.


    Ja, Mukti, das habe ich auch gesehen bzw. gehört. Aber das sind sicherlich große Ausnahmen.
    _()_ Monika


    Ausnahmen, von was? Für mich sind das Vorbilder, Beispiele und ich hoffe niemals in solche Situationen zu kommen, in denen ich meine Menschlichkeit verliere. Es gibt glaube ich sehr viele Menschen, die das erlebt haben, nur von denen wissen wir nichts, weil wir ihnen keinen Raum geben. Das ist sehr schade, denn es hilft, sich mit der Dimension der Unmenschlichkeit in einem selbst bzw. in der Menschheit auseinander zu setzen.


    Nun war die Eingangsthese von thigles:

    Zitat

    Was Nichtwissen zur Basis hat - wobei die zitierten Aussagen als Suggestion wie 'meditative Selbsthypnosetechnik' benutzt werden - kann ihn nicht aus Leid führen. Es ist daher sinnlos, sich etwas einzureden, in welcher Form auch immer. Der Sklave hat nur eine Möglichkeit aus dieser Hölle zu entkommen: Wann immer er durchaus nachvollziehbar Zorn, Wut, Angst, Neid, Verzweiflung usw. erliegt, muss seine Basis bereits auf Wissen gründen, auf daß der Inhalt des obigen Zitates etwas sei, was der Sklave bereits weiß - und nicht was er tun bzw. nachbeten soll. Der Buddhismus (und seine Buddhisten) lehrt diese eigentlich notwendige Perspektive nicht explizit und so bleibt der Buddhismus seit Jahrtausenden mehrheitlich aber nicht ausnahmslos leider nur eine exklusive Angelegenheit.


    Darin steckt nun ein Denkfehler, denn der Hass richtet sich ja auf einen anderen, d.h. in diesem Andere ist die Möglichkeit zur Veränderung, wohl in der Weise, dass er einen tiefer reinreitet oder dass er einem zur "Flucht" verhilft. Der Andere ist der mit dem "Wissen", entweder als Freund (Buddha) oder als Feind (Mara) - was hat denn Nichtwissen "zur Basis" - oder was ist die Nahrung von Nicht-Wissen? AN X 61-70.
    Im AN wird das bis auf den edlen Freund herunterdekliniert - und da es niemals einen Sklaven ohne einen Herrn gibt, niemals ein Ego ohne ein alter ego - ist genau das der Ausgangspunkt für Veränderung.

  • Da hast Du Recht, Thursday, für mich sind das auch Vorbilder und ich habe sie regelrecht "studiert", um es ihnen gleich machen zu können. Ich wünsche mir auch nicht, in diese Situation zu kommen. Wer schon?


    Zitat

    Das ist sehr schade, denn es hilft, sich mit der Dimension der Unmenschlichkeit in einem selbst bzw. in der Menschheit auseinander zu setzen.


    Ich bin realistischer geworden und mir nicht mehr sicher, wie viel ich aushalten könnte. Aber Ziel bleibt es dennoch.
    _()_

    Ohne mich ist das Leben ganz einfach

    Ayya Khema

    Oder anders ausgedrückt: Die Beherrschung der Gedanken ist der Weg zum Glück (SH Dalai Lama)

  • Mach es doch einfach, es geht um "aus denken" ( einen Kopf auf den Kopf setzen ); nun wirst du grade niemanden überzeugen von Urteil, Benennung und Assoziieren zu lassen, dass sich sein Bewusstsein erweitern kann, wenn du jemanden mit Schläue kommst, in ein Gespräch verwickelst, was ohne Benennungen und seien es "alternative" bzw. negierende ja wohl nicht aus zu kommen vermag ? :) Was ist denn die Ursache für "Weiterspinnen" ? Durst. Begehren. Unzufriedenheit. Punkt. omg Also bitte, leg es nieder:


    Zitat

    Eines Tages besuchte ein Mönch namens Eom-Yang Zen-Meister Jo-Ju und sagte:
    „Ich komme hierher mit leeren Händen."
    Zen-Meister Jo-Ju antwortete: „Nun gut, dann leg es nieder."
    „Ich sagte doch schon, dass ich mit leeren Händen gekommen bin. Was also soll ich niederlegen?", fragte der Mönch.
    Zen-Meister Jo-Ju erwiderte: „Wenn du es nicht niederlegen willst, nimm es wieder mit und geh."


    Der Mönch hier war wesentlich "weiter" als du ( und ich ) Möge es ein Ansporn sein. _(Om)_ :D

  • Zitat

    überprüfe es dann auch tatsächlich und tätige den konkreten Nachvollzug der besagten Aufgabe


    ok, sorry, aber :D ...


    ...die tibeter sagen glaub ich so was wie "halten der reinen sicht" oder sowas, im zen gibts da gar keinen ausdruck für ( - also gerade keine benennung, außer gerade so un-greifbares wie `mushotoku`---- "Wenn der Geist auf nichts verharrt, erscheint der wahre Geist..."
    nyanaponika spricht von `bloßem gewahrsein`.... koan kommt übrigens auch nur mit einer frage, einem satz aus, um den geist nicht aufzuwühlen, und den intellekt braucht man da gar nicht erst zu bemühen...( obwohl man es freilich trotzdem versucht ) - wär ja kontraproduktiv,
    ... also - kannst du diese "aufgabe" in einem einzigen satz zusammen fassen, so als ob ich drei jahre alt wäre ( denn menschen mögen sich nicht den kopp zerbrechen, man erzählt ihnen nur, sie müssten, aber das ist gelogen... _()_ sei nicht geknickt, allet jut :)



    cürelü

  • thigles:

    Frage: Wenn ihr dem (nicht-buddhistischen) Sklaven zu etwas raten würdet, was und in welcher Form wäre das?


    Genau das, was ich einem buddhistischen Sklaven auch raten würde: das Leiden schnellstmöglich zu beenden. Ich würd' ihm auch den Knüppel dafür reichen, falls er selbst keinen hat.
    Und sein Mitgefühl muss man deswegen ja nicht verlieren: auch bei der Selbstverteidigung muss man nicht mehr Schaden beim Gegner anrichten, als nötig, und immer daran denken, dass der andere auch nur gerade nicht aus seiner Haut konnte.


    Intellektuelles blabla hilft einem Folteropfer eher weniger.


    Andreas