Der Theravāda Buddhismus stützt sich auf den Palikanon und ich möchte aufzeigen, wo einige Gefahren stecken, die in uns nicht die rechte Anschauung (erster Pfad des Edlen Achtfachen Pfades) entstehen lässt und ohne rechte Anschauung macht die Praxis mit dem Buddhismus keinen Sinn.
Wie ist der Palikanon entstanden?
Als Buddha ins Parinibbāna eingegangen ist, haben sich 500 Arahat versammelt und haben angefangen, alle Lehrreden des Buddhas aufzusagen. Nur wenn zwei oder mehrere Arahat bestätigten, dass dies Worte des Buddhas sind, wurde die entsprechende Lehrrede für relevant erklärt und auswendig gelernt. Alles andere fiel weg. Die Sprachwissenschaftler streiten noch heute, ob Buddha in Pali gesprochen hat oder nicht. Und sie streiten auch, ob Pali eine Schriftsprache war oder nicht. Erst einige hundert Jahre später wurden die Lehrreden niedergeschrieben und dann auch noch mit den Schriftzeichen aus dem damaligen Ceylon.
Da aufgrund dieser ersten Niederschriften noch heute Menschen eine der vier Stufen der Erwachung erreichen, kann man wohl behaupten, dass die Schriften im Grossen und Ganzen stimmen. Wenn wir nun nach Thailand wechseln und die Ankunft des Buddhismus anschauen sehen wir, dass sich erst eine eigene thailändische Sprache entwickeln musste, bevor die rechte Anschauung überhaupt entstehen kann.
Machen wir den Sprung nach Europa, in den deutschsprachigen Raum. Dort kommt der Buddhismus vor rund hundert Jahren an und niemand versteht ihn. Was geschieht ist logisch. Wenn wir etwas Neues entdecken, suchen wir automatisch das Bekannte im Neuen. Zweites Problem ist, dass es im Deutschen oft keine entsprechenden Worte gibt, so wie sie im Buddhismus benutzt werden. Drittes Problem ist, dass es einzelne Begriffe gibt, die zwar wunderbar passen, im Deutschen sich aber der Begriff mit negativen Emotionen aufgefüllt ist und deshalb wegfällt. Anstelle des richtigen Begriffes wird das nächst beste genommen, aber leider bleibt dann ein Teil des ursprünglichen Inhaltes auf der Strecke.
Ein konkretes Beispiel:
Karunā wird notgedrungen als Mitgefühl übersetzt, weil Mitleid mittlerweile im Deutschen etwas von herabblicken, von Gefälle, von oben herab und von Verachtung innewohnt. Geht man in Pali nachschauen, wie Karunā erklärt wird, dann steht das etwas von mitzittern, sich mit dem Leiden anderer in Verbindung setzen, anderen Wesen seinen Körper und HerzGeist zur Verfügung zu stellen, damit sie ihren Schmerz teilen können. Und wohl das wichtigste, Karunā löst in Wesen mit hohem Mitleid/Mitgefühl eine Tat aus. Man beginnt zu handeln.
Dieses konkrete Handeln fehlt mir im Mitgefühl. Denn wenn wir das Wort als solches anschauen, dann fühlen wir einfach mit und lassen es dabei. Karunā ist eines der vier Brahma-Vihāra und direkter Gegenspieler der Kilesa. Wenn wir "nur" mitfühlen, anstatt durch Mitleid in eine Handlung zu gehen, dann verliert Karunā die Schärfe der Klinge, die wir eigentlich benötigen, um Bestürzung, Dünkel und Grausamkeit abzuschneiden.
Ein zweites Beispiel ist auch sehr gut nachvollziehbar. Dukkha wird als Leiden übersetzt und ist gleichzeitig die erste der Vier Edlen Wahrheiten. Dukkha ist aber nicht nur Leiden. Dukkha ist grösser und geht vom groben Leiden, Schluchzen, Weinen, bis hin zu ganz feinen Formen von nicht 100% zufrieden zu sein. All das ist Dukkha. Aber wir haben es leider als Leiden übersetzt und wir verstehen schon die erste der Vier Edlen Wahrheiten falsch. Logisch und folgerichtig haben wir dann Mühe, die anderen drei zu verstehen, denn die Vier Edlen Wahrheiten gehen aufbauend in einander über und in jeder Wahrheit steht im Zentrum Dukkha.
Lösungsmöglichkeit:
Bis wir eine eigene deutsche, buddhistische Sprache haben, werden noch viele Jahre vergehen. Ich glaube nicht, dass ich es noch erleben werde. Wohl oder übel bleibt nur der Weg übrig, so viele Palibegriffe wie möglich im Ursprung zu lernen und diese auch konsequent anzuwenden. Alle die sich auf die Sanskrittexte stützen, werden vermutlich genau die gleichen Probleme haben, obwohl ich da überhaupt keine Erfahrung drin habe. Aber ich denke, dass ihr noch zusätzlich Verständnisprobleme habt, weil die Esoterikszene zum Teil mit den gleichen Begriffen arbeitet (Karma), aber etwas ganz anders darunter versteht.
Nun, mich interessiert Eure Sichtweise, Eure Erfahrung und Eure Lösungsvorschläge. Ich will auch meine Absicht transparent und klar darlegen, weshalb ich mich intensiv mit diesem Thema beschätige. Wenn wir im deutschsprachigen Raum, deutschsprachigen Buddhismus entwickeln wollen, dann geht das nur mit muttersprachlichen Mönchen, Nonnen und Laien. Die Lehre muss sich in das Vorhandene einbetten. Es ist absolut kontraproduktiv, wenn wir Thailänder, Tibeter, Chinesen, ... nach Europa holen, die dort ihren Buddhismus aus ihrem Herkunftsland praktizieren und der Bezug zur mitteleuropäischen Kultur fehlt. Mir liegt etwas daran, wenn gewünscht, mitzuhelfen, den Buddhismus in Europa zu etablieren und zwar nicht in der tibetischen, nicht in der thailändischen, nicht in der sri lankischen, sondern in der deutschsprachigen Version.