Unter diesem link findet ihr einen Auszug des Beitrages von Stephen Batchelor in der neuen Buddhismus aktuell: http://www.buddhismus-aktuell.de/heftaktuell_probe.pdf
Kurz gesagt, skizziert er dort die Grundlagen eines säkularen Buddhismus: "Was meine ich mit dem Wort „säkular“? Einer- seits benutze ich es so, wie es üblicherweise ver- wendet wird, nämlich im Gegensatz zu dem, was wir uns unter Religion vorstellen. Doch ich ver- wende es auch in seinem wortgeschichtlichen Sinn. „Säkular“ kommt vom lateinischen „saeculum“, was „diese Zeit“ bedeutet. Damit ist nicht nur das Hier und Jetzt gemeint, sondern das Zeitalter, in dem wir uns befinden. Als säkularer Buddhist verstehe ich meine Praxis in erster Linie als Antwort auf die Krise, die Fragen und das Leiden unserer Zeit." S.B.
Für Batchelor reicht die säkulare Vision vollkommen aus, "um ein ethisches Leben zu führen und sich in einer spirituellen Praxis zu engagieren, die ein solches Leben prägt. Das bedeutet aber für mich, dass wir den Buddhismus von Grund auf neu denken müssen. Ich stelle mir einen säkularen oder modernen Buddhismus nicht als moderne Umgestaltung einer traditionellen asiatischen Schule vor. Ich bin nicht besonders daran interessiert, die Schule des Theravada-, die tibetischen oder die Zen-Schulen zu reformieren. Sie werden zweifellos neue Formen entwickeln, die ihren Ursprüngen entsprechen. Aber ich glaube, dass ein säkularer Zugang tiefer geht. Mein Ausgangspunkt bei diesem Projekt besteht darin, zu den frühesten, heute verfügbaren Lehrtexten zurückzugehen. Und zwar, um zu fragen: Was von dem, was der Buddha gelehrt hat, stammt tatsächlich von ihm selbst?" S.B.
Auf diese Weise gelangt Batchelor zu dem, was er das Spezifische an Buddhas Lehre bezeichnet:
1. "das Prinzip der Bedingtheit (gegenseitige Abhängigkeit, bedingtes Entstehen)
2. der Prozess der Vier Edlen Wahrheiten. (Ich ziehe es vor, von den Vier Edlen Wahrhei- ten als von den Vier Edlen Aufgaben zu sprechen.)
3. die Praxis der Achtsamkeit. (Soweit wir wissen, war Meditation zur Zeit des Buddha weitgehend eine Innenschau und eine Vertiefung der Konzentration bis zu dem Punkt, an dem man sein eigenes wahres Selbst oder atman erkennen konnte.)
4. die buddhistische Betonung des Sich-auf- sich-selbst-Verlassens. (Einer der Pali-Begriffe für eine Person, die den Achtfachen Pfad eingeschlagen hat, ist aparapaccaya – „nicht von anderen abhängig“. Mit anderen Worten: Das Einschlagen des Pfades ist zugleich das Erlangen der Unabhängigkeit.)" S.B.
Für Batchelor ist aus dem Buddhismus im Laufe der Jahrhunderte eine Religion geworden, obwohl es Buddha nie darum ging:
"Das bestätigt, was ein englischer Buddhismusforscher, Trevor Ling, vor etwa 50 Jahren in einem Buch über den Buddha ausgeführt hat. Er geht
davon aus, dass Buddhismus nie als Religion gemeint gewesen sei, sondern eher als eine neue Zivilisation oder Kultur, die im Laufe der Zeit zu einer Religion mutiert sei. Sicherlich kann man Ähnliches auch vom Christentum und wohl auch vom Islam sagen. Religionen neigen dazu, die Inspirationen zu vergessen, die in ihrem eigenen Ursprung liegen.
Buddhismus ist für mich also etwas, was es zu tun, nicht etwas, woran es zu glauben gilt. Er ist im Wesentlichen pragmatisch. Das zeigen auch viele der berühmten Parabeln, etwa die vom vergifteten Pfeil, bei der es darum geht, den Pfeil schnell herauszuziehen, ohne lange danach zu fragen, woher er gekommen ist. In einer ande- ren Parabel beschreibt sich der Buddha als jemanden, der in einen Wald gegangen ist, dort einen alten, überwachsenen Pfad entdeckt, die- sem folgt, in eine Ruinenstadt gelangt und sich schließlich daran macht, sie wieder aufzubauen. Der Buddha vergleicht diesen Pfad mit dem Achtfachen Pfad, den schon alle Buddhas der Vergangenheit gegangen seien. Es ist sehr inter- essant, dass dieser Pfad nicht ins Nirvana und zum Ende von Geburt und Tod führt, sondern zum Wiederaufbau einer Stadt. Das ist für mich ein zutiefst säkulares Bild, es verortet unsere Praxis darin, die Struktur dieser Welt zu verändern." Stephen Batchelor